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Albrecht Broemme hat gestern noch selbst über die Gefahren in deutschen Fußballstadien gesprochen. Jetzt sitzt er in Günther Becksteins Pressekonferenz im Kongreßzentrum am Alexanderplatz in der ersten Reihe. Der bayerische Innenminister ist nervös, spricht über Bedrohungsszenarien und über eine, wie er meint, "überfällige Grundgesetz änderung".
Berlins Landesbranddirektor Broemme reicht dem CSU-Politiker Beckstein einen Zettel. Beckstein wirft einen Blick darauf und lacht. Später bedankt er sich beim obersten Feuerwehrmann der Hauptstadt für die Notiz - es waren alle Spieltermine der iranischen Mannschaft bei der kommenden Fußball-WM.
Am Morgen hatte der Besucher aus München bei der Europäischen Polizeikonferenz auf einem Podium mit seinen Ministerkollegen aus Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen seine Hauptsorge geäußert: daß die Mannschaften aus den USA und dem Iran während des Turniers aufeinandertreffen könnten (kann erst im Halbfinale in Dortmund und München oder im Finale in Berlin geschehen). "Ich freue mich schon auf das Spiel USA-Iran", sagt Beckstein sarkastisch. Ein Lachen geht durch den Saal.
Doch die Fußball-WM wurde als Thema schnell durch einen Richterspruch in Karlsruhe als bestimmendes Thema abgelöst. Um 10.25 Uhr wird Jörg Schönbohm aus Brandenburg eine Notiz gereicht. Der Potsdamer Innenminister (CDU) verliest kurz und knapp die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über mutmaßlich gekaperte Passagiermaschinen: "Flugzeuge dürfen nicht abgeschossen werden."
Zunächst wird es ganz ruhig im Saal. Bei dem einen oder anderen der über 1000 Konferenz-Teilnehmer schwingt auch Enttäuschung über das Urteil mit. Sie hatten sich mehr Rechte für die Regierung gewünscht.
Auf dem Podium wechselt die Stimmung nun zu einer "Jetzt erst recht"-Haltung. Jörg Schönbohm warnt, es drohten keine Kriege mehr mit Staaten wie in bisherigen Bedrohungsszenarien, sondern "Angriffe von NGOs" (Nichtregierungsorganisationen). Kein Zweifel: Der frühere Bundeswehrgeneral befürwortet den innerdeutschen Einsatz der Bundeswehr.
Mit Ausnahme des Staatssekretärs im NRW-Innenministerium, Klaus Peter Brendel (FDP), wollen alle den Einsatz des Militärs im Inland ermöglichen. Brendel erwidert dazu: "Wo Polizei draufsteht, muß auch Polizei drin sein." Sein Chef in Düsseldorf, NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP), gibt zur gleichen Zeit folgendes zu Protokoll: "Jetzt muß Schluß sein mit der unseligen Diskussion über einen Einsatz von Soldaten bei der Fußball-WM."
Die drei Unions-Innenminister dagegen sind sich einig. Am eindringlichsten tritt Günther Beckstein für die Möglichkeit von Inlandseinsätzen der Armee ein: "Mir leuchtet nicht ein, daß wir die beste ABC-Truppe der Welt haben, auf die sogar die Amerikaner zurückgreifen, und die auf Wunsch anderen EU-Ländern zur Verfügung gestellt werden muß. Sie kommt am Horn von Afrika, im Kosovo, in Kuweit oder in Afghanistan zum Einsatz, aber in einem Land nicht: zum Schutz der Heimat." "Die Verteidigung Deutschlands hat Vorrang vor der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch", gibt sich Beckstein unmißverständlich. Die Ausbildung der Feuerwehr in Bayern und wahrscheinlich auch in allen anderen Bundesländern bei der Abwehr von atomaren, biologischen oder chemischen (ABC-) Angriffen sei "null komma null", klagt der CSU-Politiker weiter und fordert später auf einer Pressekonferenz die Änderung der Grundgesetz-Artikel 35 und 87, an denen der Einsatz der Bundeswehr im Innern gescheitert war. Dabei warnt Beckstein vor übertriebener Angst. Schließlich habe er das Oktoberfest fünf Tage nach dem 11. September 2001 auch nicht abblasen lassen.
Ähnliche Ansichten vertritt auch Landesbranddirektor Albrecht Broemme. Das sicherste Spiel, meint er lakonisch, wäre eines ohne Zuschauer, mit künstlicher Geräuschkulisse, das nur in Wohnzimmern verfolgt werden dürfe - "von maximal acht Personen und einem Kasten Bier". "Am besten wäre es dann noch, wenn wir das Stadion, in dem das Spiel stattfindet geheimhalten."
"Die Verteidigung Deutschlands hat Vorrang vor der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch": Innenminister hegen Zweifel, daß die Polizei gegen große Terroranschläge auf Sportereignisse ausreichend gewappnet ist. |
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