Wie mit Elbwasser getauft

Jenseits der grünen Elbwiesen liegen Altona und Hamburg, ein Gewirr von Kirchtürmen, Schloten, Elevatoren. Dieser Stadtkörper ist zu mächtig, um mit einer eindeutigen Silhouette aufwarten zu können", schrieb der Baltendeutsche Werner Bergengruen 1933 in seiner "Deutschen Reise" über Hamburg. Ein eindeutiges Bild von Hamburg zu entwerfen ist schwer, das wird auch die Herausgeberin eines Buches gemerkt haben, das den Titel "... denk ich an Hamburg. Geschichten von gestern und heute" trägt. Rosemarie Fiedler-Winter, Ehrenvorsitzende der Hamburger Autoren-

vereinigung, hat Geschichten um Hamburg und seine Menschen zusammengetragen, die ein bunt schillerndes Licht auf die Hansestadt werfen. Da geht man mit Günter Kunert über die berühmt-berüchtigte Reeperbahn, besucht mit Siegfried Lenz

eine Straße im vornehmen Othmarschen, lernt mit Walter Kempowski eine hamburgische Familie kennen, züchtet mit Werner Müller Champignons in einem Bunker, erlebt mit Ulrich Schacht den rastlosen Feierabendverkehr einer Großstadt oder durchleidet mit Arno Surminski die Bombennacht im Frühsommer 1943, in der große Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt wurden. Doch: "Hamburg ist mehr als ein Haufen Steine ...", sagte Wolfgang Borchert einmal. Borchert, der Dichter von "Draußen vor der Tür", wird ebenso in einem Beitrag vorgestellt wie weniger bekannte Hamburger, deren Schicksal den Autoren bemerkenswert erschien. Daß dabei der Düsseldorfer Heinrich Heine als Sohn Hamburgs bezeichnet wird, mag im Eifer des Gefechts geschehen sein. Nicht alle Autoren haben in Hamburg das Licht der Welt erblickt, doch haben viele, die das Schicksal nach Hamburg verschlug, den Duft dieser Stadt in der Nase, schreiben von Elbe, Alster und vom Hafen, als wären sie mit Elbwasser getauft. Besonders ansprechend ist das Titelbild, das den "Kaisertag in Hamburg", ein Gemälde von Lovis Corinth zeigt.

Rosemarie Fiedler-Winter (Hrsg.): "... denk ich an Hamburg", Langen Müller, München 2004, 304 Seiten, geb., 17,90 Euro