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Hochmut Schlamassel

 
     
 
Die CDU-Spendenaffäre ist noch nicht so lange her, daß sie schon in Vergessenheit geraten wäre. Sie zumindest bis zu den Bundestagswahlen im September am Köcheln zu halten, war das erklärte Ziel der SPD und ganz besonders ihres Oberstrategen und Wahlkampfmanagers Franz Müntefering. Daß nun ausgerechnet er als langjähriger Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD über den Kölner SPD-Spen-denskandal (der sich durch ähnliche Vorfälle in Bonn, Recklinghausen und Kiel ausweitet) mit in die Bredouille gerät, könnte als erste Reaktion Schadenfreude auslösen.

Wie hatte er sich doch immer wieder aufgeplustert und die CDU-Spenden- und -Finanzmisere dazu genutzt, Unionspolitikern, die auch nur im entferntesten damit in Verbindung ge- bracht werden könnten, jedwede politische Reputation abzusprechen. Dabei ging er mit dem Wort "kriminell
" nicht zimperlich um, nämlich auch dann, wenn einzelnen Beteiligten allenfalls Vernachlässigung der Kontroll- oder Aufsichtspflicht oder auch einfach nur Gutgläubigkeit zur Last gelegt werden konnte. Nun will ausgerechnet Müntefering der Öffentlichkeit weismachen, als Landesvorsitzender habe er mit dem Finanzierungsgebaren seiner unteren Parteigliederungen nichts zu tun und keinerlei Einblick gehabt.

Da der neue Skandal jetzt die SPD trifft, erhöht er zunächst ganz allgemein den Schaden, den unser demokratisches Gemeinwesen schon durch den CDU-Skandal erlitten hatte: Das ohnehin nicht überragende Ansehen der Parteiendemokratie erleidet einen weiteren Knacks ("Diese Parteipolitiker sind doch einer wie der andere, ihnen ist einfach alles zuzutrauen!"). Dabei sollten und dürfen wir nie vergessen, daß unsere Demokratie vor allem mit den (und durch die) Parteien funktioniert: Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen in der Bevölkerung organisieren und artikulieren sich in Parteien, diese wählen und benennen jene Vertreter, die sich in freien, gleichen und geheimen Wahlen dem Volk stellen und je nach Stimmenverhältnissen für eine begrenzte Zeit das Mandat zur Durchsetzung des Wollens ihrer Wählermehrheiten erhalten. Nicht minder wichtig sind die Parteienvertreter in der Regional-und Kommunalpolitik, in Gemeinden, Kreisen und Ländern. Schon heute leiden vor allem ländliche Kommunen darunter, daß sich zu wenig (vor allem junge) Leute in Parteien organisieren, um die notwendigen Mandate zu besetzen, die auch in re- gionalen Körperschaften zur demokratischen Selbstverwaltung gebraucht werden.

Das zweite ist, daß die beiden Vorgänge in einen Topf geworfen werden, wohin sie nicht gehören. Das Verschweigen von Spendernamen durch Helmut Kohl, die Schmierenkomödie zwischen dem damaligen CDU-Vorsitzenden Schäuble und seiner Schatzmeisterin Baumeister um die Spende des zwielichtigen Waffenhändlers Schreiber, die Schweizer Schwarzgeldkonten der hessischen CDU und die darum gesponnene skandalöse Fabel der Herren Kanther, Prinz Wittgenstein und Weyrauch über angeblich jüdische "Vermächtnisse" - dies alles waren eindeutige Verstöße gegen das Parteiengesetz - von den vielbe- schworenen "guten Sitten" gar nicht zu reden! Ebenso eindeutig war aber auch, daß keine dieser Handlungen gegen das Strafrecht verstoßen hat.

Die Kölner SPD-Spendenaffäre ist hingegen von Anfang an ein strafrechtlich relevanter Vorgang und daher wirklich kriminell. Das Ausstellen von Spendenquittungen für "wirtschaftliche Leistungen", worunter sowohl Bestechungen zum Erhalt öffentlicher Aufträge (etwa zum Bau und Betrieb einer Müllverbrennungsanlage) oder die Abrechnung von Dienstleistungen von Handwerkern und ähnliches fielen, war Betrug in vielfältiger Weise: Der Staat wurde um Steuereinnahmen aus Unternehmenstätigkeiten betrogen und hatte außerdem den vermeintlichen Spenderunternehmen Steuerrückzahlungen auf ihre Spendenbescheinigungen zu leisten, die Sozial- kassen wurden um die Abgabe von entsprechenden Beiträgen geprellt, die SPD heimste für jede dieser vermeintlichen Spenden noch einmal den entsprechenden staatlichen Zuschuß ein - das heißt, diese verlogene "Spenden"-Praxis ging ganz eindeutig zu Lasten der öffentlichen Kassen. Und daß dieser Betrug ausgerechnet von der SPD begangen wurde, die doch in Sachen 630-Mark-Jobs, "Scheinselbständigkeit" oder "Schwarzarbeit" auch noch den kleinsten Geldverdiener zur Abgabe von Steuern und Sozialleistungen zwingen will, macht sie hinsichtlich ihrer "Gerechtigkeits"-Beschwörungen absolut unglaubwürdig.

Das Heer der in Sachen "CDU-Skandal" bisher so übereifrigen Medienaufklärer und Wahrheitsfanatiker verhält sich jetzt gegenüber der SPD merkwürdig ruhig. Schlimmer noch: Ausgerechnet aus der ganz linken Ecke erklingen Töne nach dem Motto "Das war doch nie anders" oder "Das haben wir doch längst gewußt". Richtig: Das Professoren-Ehepaar Scheuch ("Der Kölner Klüngel") oder Hans Herbert von Arnim ("Der Staat als Beute") und einige andere haben seit Jahren den Finger auf diese Wunde gelegt. Aber kein Hahn hat danach gekräht, nichts ist darüber in den vielen Fernsehtalks oder Polit-Magazinen berichtet worden, kaum jemand hat diese Mahner ins Fernsehen geholt. Aber gerade aus deren Arbeiten wissen wir, daß der Kölner Skandal wahrscheinlich erst die Spitze des Eisbergs ist. Der "Ruhrpott" und das westliche Westfalen, die eigentliche politische Heimat und wesentlichste Wirkungsstätte des Franz Müntefering, bevor er den nordrhein-westfälischen Landesvorsitz der SPD in der Nachfolge von Johannes Rau übernahm, sind - so Scheuch und von Arnim - in solchen Praktiken viel länger geübt als der Köln-Bonner Rau
 
     
     
 
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