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Unter normalen Umständen ist eine Volksabstimmung mit mehr als 50 Prozent an Ja-Stimmen eindeutig entschieden. Doch auf Druck der EU-Strategen, die eine Unabhängigkeit Montenegros unbedingt verhindern wollten, mußte die montenegrinische Regierung im vorhinein einer "Gift-Klausel" zustimmen: Erst bei mindestens 55 Prozent sollte es zur Unabhängigkeit kommen. Warum ausgerechnet 55 Prozent? Weil die Gurus der Europäischen Union mit einer Zustimmung von nur knapp über 50 Prozent gerechnet hatten und EU-Außenpolitik-Chef Javier Solana gehofft hatte, mit dieser Sonderbedingung den unter seiner Federführung zustandegekommenen Staatenbund Serbien-Montenegro zu retten.
Man stelle sich nur vor, es wären bei der Abstimmung 54,9 Prozent herausgekommen! Nun, es wurden anscheinend 55,4 Prozent, und noch ehe daran ernsthafte Zweifel angemeldet werden konnten, bescheinigten die internationalen Wahlbeobachter einen einwandfreien Ablauf des Referendums. Solana und Konsorten hatten also gar keine andere Wahl, als das Ergebnis anzuerkennen.
Die Abstimmung ist nur bedingt als Niederlage für Belgrad zu werten, denn Realisten haben dort längst begriffen, daß eine Zwangsheirat nicht auf Dauer funktionieren kann. In erster Linie ist es eine Niederlage für jene EU-Demokraten, die Wahlen, Abstimmungen und Regierungen nur dann für demokratisch halten, wenn sie den eigenen Zielvorstellungen entsprechen. Prof. Dr. Küssner
Enttäuscht: Javier Solana hatte in Montenegro auf ein anderes Ergebnis gehofft. |
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