|
Unter unsäglichen Mühen gedruckt hatte man schon vor Gutenberg. Bereits im 8. Jahrhundert n. Chr. wurden in Ostasien Drucktechniken entwickelt. Aber kein einziges Buch hätte in so vielfältigen Schriftbildern gedruckt werden können, wenn nicht Johannes Gensfleisch, alias Gutenberg, um 1448 in Mainz auf die Idee gekommen wäre, "Experimente mit beweglichen Lettern" durchzuführen. Mit Kredithilfe des Bürgers Johannes Fust konnte Gutenberg seine Erfindung realisieren. Dann kam es zu Zerwürfnissen und großen Verlusten, doch das weltumspannende Werk war geschaffen. Die Mainzer huldigten Gutenberg 1900 mit der Gründung eines Museums; 1962 wurde ein Erweiterungsbau nötig. Man muß nicht Drucktechniker, wohl aber Buchliebhaber sein, um von der Druckkunst, die sich durch die Jahrhunderte ständig wandelte, gefangengenommen zu werden. In der rekonstruiert en "Gutenberg-Werkstatt" werden heute noch Museums-Publikationen in traditioneller Weise hergestellt. Der Besucher ist aufgefordert, dabei zuzuschauen.
Betreten wir das Allerheiligste des Museums, den Tresorraum. Abgedunkeltes Licht verleiht den beiden, in einer Vitrine ruhenden 42zeiligen Gutenbergbibeln magische Umhüllung. Die Anfangsbuchstaben der Kapitel wurden von Hand gezeichnet und ausgemalt. Aufgeschlagen zeigen beide Bücher den Beginn des Lukas-Evangeliums.
In den angrenzenden Räumen häufen sich Raritäten aus verschiedenen Jahrhunderten. Herrlich bebilderte Exponate: Ein Stundenbuch aus Frankreich um 1450; der erste deutsche Atlas "Cosmographia" mit 32 doppelseitigen Holzschnittkarten (1482); "Utopia" von Thomas More (1518), 1680 das "Blumenbuch" der Maria Sibylla Merian; 1758 ein Prachtband über Frösche "worinnen alle Eigenschaften derselben, sonderlich aber ihre Fortpflanzung umständlich beschrieben werden". Faszinierend auch die Schwarz-Weiß-Kontraste der Illustrationen zu Oscar Wildes "Salome" von Aubrey Beardsley. Köstlich die Londoner "Cinderella"-Ausgabe von 1919. Sie enthält nur ein einziges zartfarbiges Bild: Cinderella, im anrührenden Flickenkleid, schaut aus dem Küchenfenster. Die übrigen Illustrationen sind mit Farbtupfern versehene Silhouettenzeichnungen: Der Prinz, ganz in Schwarz, kniet nieder und überreicht den weißen Schuh für den kleinsten Fuß der gesamten Märchenwelt. Das "Pop-Up Book" mit dem Titel "Gutenberg s Gift" (1995) verursacht Heidenspaß. Klappt man es auf, dann erheben sich aus den Seiten mittelalterliche Häuser, Menschen, Gutenberg selbst und seine "Gabe" an die lesende Menschheit, die erste komplette Druckpresse.
Das oberste Stockwerk ist dem Buch des 20. Jahrhunderts gewidmet. Hier findet der Liebhaber Exponate mit Illustrationen aus der Stilrichtung Impressionismus, Expressionismus, Neue Sachlichkeit und Art deco einschließlich der wichtigsten Buchgestalter nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier ist auch die alljährlich wechselnde Ausstellung der "Schönsten Bücher der Bundesrepublik Deutschland" plaziert.
Intensiv sollte man der Abteilung "Ferner Osten" verweilen. Wundersame, vorchristliche Exponate bannen den Blick des Besuchers: Baumrindenhandschriften aus Sumatra, es sind Zauberbücher der Batak; eine babylonische Tontafel mit einem Wirtschaftstext, der wissen läßt, daß "der Oberpflüger Schamasch-iddin als Pachtzins für das 7. Jahr Nabonids, König von Babylon, an den Ebabbara-Tempel im Monat Tamuz" Gerste geliefert hat; Holztafeldrucke aus Korea; Palmblatthandschriften aus Birma; ein Papyrus-Fragment mit einem Text aus dem 17. Kapitel des ägyptischen "Totenbuches". Schließlich wird der Besucher ein persisches Pergamentblatt - kostbares Geschenk an das Museum - entdecken, das ihn innehalten läßt. Die frappierende Zierschrift, einer Notenschrift vergleichbar, gibt eine Lobpreisung Mohammeds "als den Gesandten Allahs" wieder.
Man meint, die Schrift begänne zu tönen .
Eine Sonderausstellung unter dem Titel "Schwarz auf Weiß. 400 Jahre Zeitung 1605 bis 2005" ist vom 9. Juli bis zum Jahresende in Mainz zu sehen.
Gutenberg Museum, Liebfrauenplatz 5, 55116 Mainz, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonnabend 10 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 13 Uhr.
Johannes Gutenberg: Das tatsächliche Aussehen des Meisters ist nicht bekannt; dieser französische Kupferstich stammt aus dem Jahr 1584, da war Gutenberg schon mehr als 100 Jahre tot. |
|