|
Was sich seit geraumer Zeit in der Stadt Potsdam im Zusammenhang mit der möglichen Wiedererrichtung der von britischen Bomben in den letzten Kriegstagen zerstörten historischen Garnisonkirche abspielt, läßt Außenstehende nur den Kopf schütteln. Das Gebaren der Evangelischen Kirche in Berlin/Brandenburg hat weder etwas mit einer christlichen Einstellung noch mit gesundem Menschenverstand oder mit Fairneß zu tun.
Da werden zunehmend überall in Deutschland evangelische Kirchen, die zu wenige Besucher aufweisen und deren Unterhalt von der Kirche nicht mehr bezahlt werden kann, geschlossen und zu weltlichen Zwecken an andere Träger verkauft. In Potsdam hingegen steht das stattliche Sammelergebnis der "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glok-kenspiel e.V." zur Verfügung, um, ohne daß es die Kirche einen Cent kostet, zunächst den Turm der von dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. "zur Ehre Gottes" erbauten Garnisonkirche wieder zuerrichten. Aber die Evangelische Kirche in Brandenburg stellt politische Bedingungen, die die "Traditionsgemeinschaft" weder nach ihrem Selbstverständnis noch aus Anstand den Tausenden von Spendern gegenüber erfüllen kann. So vergeht denn Jahr um Jahr, in denen der frei geräumte Platz der Kirche nicht nur daran erinnert, wie barbarisch der britische Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung war, sondern auch daran, daß das kommunistische Ulbricht-Regime dann die Ruine der Kirche in die Luft sprengte.
Rund 5,7 Millionen Euro sind durch die Sammelaktivitäten der "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel", seinerzeit gegründet und auch heute noch geleitet von dem Oberstleutnant der Bundeswehr Max Klaar, inzwischen außer Diensten, zusammengekommen. Der Bau des Turmes kann sofort beginnen. Dagegen aber steht eine nur mit linksideologischen Vorbehalten zu erklärende Halsstarrigkeit der Evangelischen Kirche. Die will nämlich nicht den originalgetreuen Wiederaufbau, sondern verlangt allerlei politische Verfälschungen. So soll die Spitze des Turmes als "Ausdruck deutscher Bußgesinnung und Reuebereitschaft" ein Nagelkreuz, hergestellt aus alten Nägeln der Kathedrale von Coventry, tragen, und nicht die alte goldene Sonne, wie sie der Vater Friedrichs des Großen hatte anbringen lassen. Auch will die evangelische Kirche nicht die Bedingung der "Traditionsgemeinschaft" akzeptieren, daß der Turm nur für Gottesdienste, Andachten, Stadtkirchen- und Versöhnungsarbeit im Sinne der biblischen Botschaft von beiden christlichen Konfessionen genutzt werden darf, sondern sie will dort Geschäfts- und Verwaltungsstellen von Kriegsdienstverweigerungsorganisationen und allerlei anderen linken Gruppen einrichten. Auch ist die Rede davon, daß die Kirche, wenn ihr erst einmal der fertige Turm übertragen worden ist, anstelle des Kirchenschiffes eine Pyramide anfügen will. Und gegen solchen Mißbrauch wehren sich die Spendensammler. Sie wollen, auch wenn sie nach einer Einigung mit der Stadt Potsdam den Turm wiedererrichtet und der Evangelischen Kirche Brandenburg/Berlin geschenkt haben, eine Regelung treffen, daß dergleichen politische Aktivitäten ausgeschlossen sind. Dazu gehört auch, daß vom Glockenspiel wie vor der Zerstörung einmal täglich mittags "Üb immer Treu und Redlichkeit" gehört wird.
Nun hat es immer wieder neue Verhandlungen zwischen der Kirche und der "Traditionsgemeinschaft" gegeben. Die Kirche blieb starr bei ihren Forderungen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, daß vermutlich in Wahrheit die meisten kirchlichen Funktionsträger in Brandenburg den Wiederaufbau der Kirche verhindern wollen, weil die Garnisonkirche eine Kirche für Sol- daten war. Außerdem wollen viele der Entscheidungsträger nachträglich die Barbarei des SED-Regimes rechtfertigen, das 1968 die Kirchenruine sprengen ließ.
Die Stadt Potsdam laviert zwischen beiden Positionen. Auf der einen Seite ermuntert sie die "Traditionsgemeinschaft", weiter Geld für den Wiederaufbau zu sammeln, auf der anderen stimmt sie dem politisch weit links einzuordnenden Konzept der Kirche zu.
Der Schirmherr der Sammelaktivitäten der "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel", Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, fordert die Kirche auf, die Symbolik nicht dem jeweiligen Zeitgeist zu opfern. Und auch der Domherr von Coventry, Dr. Paul Oestreicher, hat bei einem Treffen in Potsdam deutlich gemacht, die Frage des Nagelkreuzes aus Coventry sei "nebensächlich". Es gehe nicht mehr um deutsch-englische Aussöhnung; die sei längst geschehen.
In einer vor wenigen Tagen erschienenen Verlautbarung der Traditionsgemeinschaft wird noch einmal ausdrücklich unterstrichen, daß sie unter diesen Umständen nicht bereit sei, auch nur einen Euro der gesammelten Summe für den Wiederaufbau der Kirche auszugeben. "Nicht der ist in der Nachfolge (Jesu Christi), der sich Gott so zurechtbiegt, daß er machen kann, was er für richtig hält; sondern der ist in der Nachfolge, der wollen kann, was Gott befahl." So beharren die Geldgeber auch darauf, daß in einem Schenkungsvertrag ausdrücklich festgelegt wird: Die Evangelische Kirche läßt im (wiederaufgebauten) Garnisonkirchturm keine Aktivitäten mit kirchenspalterischer Wirkung zu. Dazu gehören Kriegsdienstverweigerungs-Beratung, Schwulensegnung und feministische Theologie. Wenn die Kirche sich darauf nicht einläßt, hat die "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel" beschlossen, die Verhandlungen mit der Kirche über ein gemeinsames Nutzungskonzept für den Turm der Garnisonkirche abzubrechen.
Am 18. August dieses Jahres soll ein neues Treffen von Vertretern der Kirche, des Potsdamer Oberbürgermeisters Jakob und von Vertretern der Traditionsgemeinschaft stattfinden, um über einen Schlichtungsvorschlag nachzudenken. Soweit die Anregung von Minister Schönbohm. Dr. Hübner
Garnisonkirche: Goldene Sonne oder Coventryer Nagelkreuz? |
|