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Zurück auf christlichen Boden

 
     
 
Mit einer Rückbesinnung auf christliche Grundwerte und Tugenden will der Rat der "Evangelischen Kirche in Deutschland" (EKD) das protestantische Kirchenleben vor dem Zerfall bewahren. Es ist höchste Zeit: Leere Kirchen, leere Kassen, leere Köpfe - die Diagnose läßt kein langes Abwarten mehr zu. Binnen einer Generation, bis 2030, wird sich die Zahl der evangelischen Christen in Deutschland von 26 auf 17 Millionen verringert, der Finanzrahmen von vier auf zwei Milliarden Euro
halbiert haben, so die Prognose der EKD.

Wenn das nicht optimistisch gerechnet ist: Der evangelischen Kirche fehlt die Strahlkraft, die ein Papst Benedikt XVI. und mehr noch dessen Vorgänger Johannes Paul II. besonders auf die jungen Menschen in der Welt hatten.

Allein durch seinen Auftritt auf dem Weltfamilientag im spanischen Valencia setzte Benedikt XVI. deutliche Zeichen gegen die jüngsten Irrungen der spanischen Politik: Weder die Eheschließungen Homosexueller noch die Expreß-Scheidungen, die Legalisierung von Abtreibungen oder die Forschung an Stammzellen lassen sich mit der katholischen Lehre vereinbaren. Es reichte, daß der Papst nur diesen Satz sagte: "Es gibt Punkte, bei denen die Kirche Nein sagen muß." Die Position der Kirche ist allen klar - der spanische Ministerpräsident Zapatero, ein Linksreformer, blieb vorsichtshalber der Abschlußmesse und damit der Konfrontation fern.

"Einen Menschenfischer haben wir nicht", bedauerte ein evangelische Theologe. Das immer wieder beschriebene neue religiöse Interesse, die immer häufiger erkennbare Offenheit, mit der Menschen sich zu ihrem christlichen Glauben bekennen, das Verlangen der Kinder nach religiöser Unterweisung, ja sogar die Sehnsucht nach Spiritualität wehen an den evangelischen Kirchen vorbei.

In seinem Grundsatzpapier "Kirche der Freiheit - Perspektiven der Evangelischen Kirche im 21. Jahrhundert" schildert der Rat der EKD die Problemlage mit nahezu betriebswirtschaftlicher Nüchternheit: Die Basiszahlen sind verheerend. Dies so deutlich beim Namen zu nennen ist schon verdienstvoll genug. Wichtiger aber noch ist, daß der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Huber auch gleich die richtigen Fragen stellt: Was macht die Kirche für die Menschen heute noch wertvoll?

Die Antworten darauf werden heftiger diskutiert werden als die radikalen Stellenkürzungen in den Pfarrämtern oder der tiefe Einschnitt, der aus 23 Landeskirchen acht bis zwölf machen soll: Die EKD verlangt eine grundsätzliche Hinwendung zu der pastoralen Aufgabe, die Menschen mit den Sakramenten durch das Leben zu begleiten. Das "Impulspapier", das mit seinen "Leuchtfeuern" genannten Forderungen die evangelischen Christen aufrütteln möchte, kritisiert unerwartet scharf das "heimliche Schweigegebot" zu offenkundigen Qualitätsmängeln in der seelsorgerischen Arbeit. In vielen Gemeinden hätten sich "überzogene Autonomievorstellungen" breitgemacht, die Kirchengemeinden hätten eine "vereinsmäßige Struktur mit deutlicher Milieuverengung" angenommen - offener denn je zuvor wird damit der Drang vieler Pastoren kritisiert, sich mehr in Bewegungen aller Art und Farben als im eigenen Kirchenkreis zu engagieren und mit einer "Gefälligkeitstheologie" zufriedenzugeben. Daß es in der evangelischen Welt immer traditionelle Ausrichtungen gab, die ihre strengen Glaubensgrundsätze praktizierten, war von den "modernen" Pastoren als unzeitgemäß und nicht der Gesellschaft zugewandt abgetan worden. Dieser kollossale Irrtum klärt sich jetzt von allein auf.

Gefordert ist nun ein Mentalitätswechsel und die Verpflichtung auf ein hohes Qualitätsniveau der seelsorgerischen Arbeit. Die Gemeinden sollen den Kirchenbesuch von jetzt nur noch vier Prozent auf zehn Prozent der Gläubigen steigern. Alle Kinder evangelischer Eltern sollen getauft werden, auch dann, wenn nur ein Elternteil der Glaubensgemeinschaft angehört. Die gleiche Sicht gilt für die Eheschließungen - Trauquote 100 Prozent ist gefordert. Und schließlich soll jeder Verstorbene christlich und würdevoll bestattet werden, auch das gehöre zu den grundlegenden pastoralen Aufgaben. Die evangelische Kirche müsse wieder eine "gelebte Gemeinschaft" werden - Mission im eigenen Land heißt eines der Stichwörter dazu.

Die christlichen Traditionen sollen nach dem Willen des Rates der EKD wieder in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Protestantismus müsse den Menschen wieder eine geistliche Heimat bieten. Vor allem in der Bildungsarbeit, hier gelten besonders hohe Zielvorgaben: 90 Prozent aller evangelischen Kinder eines Jahrgangs sollen in den ersten sechs Lebensjahren mit biblischen Geschichten und christlichen Traditionen vertraut gemacht sein; die Zahl der evangelischen Schulen müsse gesteigert werden.

Als Reformer in der Not hat Huber keinen leichten Stand. Die EKD werde in einigen Jahren "faktisch gestaltungsunfähig" werden, warnte er. Einige Monate Zeit, die Widerstände gegen den neuen Kurs abzubauen, hat er noch. Ende Januar 2007 soll in der Lutherstadt Wittenberg ein Kongreß über die "Leuchtfeuer"-Thesen beraten.

 

Der Kirche geht das Geld aus

Noch bekennen sich 31,3 Prozent der Deutschen zur evangelischen Kirche, das sind 26 Millionen Menschen. Die Einnahmen aus der Kirchensteuer, der wichtigsten Finanzquelle, lassen sich aber nicht von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abkoppeln. Derzeit kann die "Evangelische Kirche in Deutschland" (EKD) noch vier Milliarden Euro im Jahr ausgeben. 2030 wird sich die Welt gedreht haben, nur noch 13000 der heute 21000 Pfarrerstellen kann sich die EKD dann leisten oder es muß in anderen Bereichen zu erheblichen Personalreduzierungen kommen. Der Kirchenetat wird dann nur noch zwei Milliarden im Jahr ausmachen; das Kirchensteueraufkommen wird dramatisch sinken, die freiwilligen Leistungen der Kirchenmitglieder müssen sich verdoppeln. Deshalb soll ein Dachverband eingerichtet werden, der gezielt um Spenden und Erbschaftszuwendungen werben soll.

Taufe: Die evangelische Kirche will sich mehr auf ihr "Standardangebot" konzentrieren.
 
     
     
 
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