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In Spanien gibt es derzeit wieder einmal einen offenen Konflikt zwischen der Regierung und dem Militär. Der Anlaß ist ein spanischer, aber der Fall ist übertragbar auf andere Demokratien in Europa. Die beiden Regionen Katalonien und das Baskenland streben nach immer mehr Eigenständigkeit, wenn nicht letztlich nach Loslösung vom Gesamtstaat. Die Regierung der Sozialisten in Madrid, die nach den Terroranschlägen am
11. März 2004 überraschend an die Macht kam, ist bereit, den Wünschen der Katalanen und Basken weit entgegenzukommen, weil sie deren Stimmen für die Mehrheit im Parlament braucht. Wieder einmal geht es um die Frage Parteiwohl vor Gemeinwohl oder umgekehrt.
In dieser Lage haben sich spanische Generale und Offiziere zu Wort gemeldet, darunter der Heereskommandeur Generalleutnant José Mena. Sie berufen sich auf einen Artikel der vielgerühmten spanischen Verfassung, nach dem es den Streitkräften „obliegt, die Souveränität und Unabhängigkeit Spaniens zu gewährleisten und seine territoriale Integrität und verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen.“
Der sozialistische Verteidigungsminister Bono reagierte bei den aufmüpfigen Offizieren wegen angeblicher Verletzung der Neutralität der Militärs mit Hausarrest und Ablösung von ihren Kommandos. Auch in diesem Fall zeigt sich wieder einmal: Wer sich mit Zivilcourage auf die Seite des Gemeinwohls gegen parteipolitische Interessen stellt, hat schlechte Karten. Ein Hauptmann in Melilla hatte seinem Unmut in einer Lokalzeitung Luft gemacht und dem Ministerpräsidenten Zapatero vorgeworfen, er lasse es zu, daß „unser Spanien zerstückelt“ wird, die politische Klasse „opfert die Idee der Nation und des Vaterlandes, um ihre Machtgelüste zu mästen“. Das war zwar etwas starker verbaler Tobak. Aber in der Sache hatte der Mann wohl recht. Der Minister reagierte natürlich mit Hausarrest und „Befreiung“ des Hauptmanns vom Kommando.
Wie sich die Dinge gleichen! Das Vorgehen des spanischen Verteidigungsministers ruft die Erinnerung an ähnliches Verhalten seines früheren deutschen Amtskollegen Peter Struck wach, der seinerzeit wider alle rechtsstaatliche und disziplinarrechtliche Maßstäbe gegenüber General Günzel zur Pensionierungskeule griff oder im Fall Mölders seine sozialistische Ideologie vor die geschichtliche Wahrheit rückte. Allenthalben ist es in den europäischen Demokratien üblich geworden, vor allem gegenüber Soldaten den starken Arm der Politik zu betätigen und den „Staatsbürger in Uniform“ im Spind einzuschließen. Soldaten haben keine Meinung zu haben und sollen sie öffentlich nicht äußern. Mannesmut vor demokratischen Königsthronen ist so wenig gefragt wie einst in monarchischen Zeiten. Und die Soldaten sagen, daß dieses Syndrom vor allem von unten nach oben wachse.
Entsprechend geistig, moralisch und politisch domestiziert wie nie zuvor ist daher vor allem das Offizierkorps der Bundeswehr und hier wiederum besonders die Generalität. Der berühmte „mitdenkende Gehorsam“ gerade der hohen Offiziere ist längst an den Kasernentoren abgegeben.
Das begann übrigens nicht erst mit Herrn Struck, sondern schon mit seinem Vorgänger Volker Rühe von der Union. Die Zeiten der guten Verteidigungsminister wie Franz Joseph Strauß und Georg Leben sind längst vorbei. Aber das Verhältnis Politik–Militär ist nie eine Einbahnstraße. Seit der Zeit Rühe kuschte die Mehrheit der Generalität vor der vom Inhaber des „politischen Primats“ geschwungenen Pensionierungskeule. Man wird an den Satz erinnert „Wo Blut im Wasser ist, werden die Haifische rasend“. Mit anderen Worten: Wenn die politische Klasse immer unverfrorener Eigen- und Parteiinteressen vor das Gemeinwohl und das Interesse des Staates rückt, werden die politischen Tugenden der Zivilcourage und des „mitdenkenden Gehorsams“ bei den Bürgern mit und ohne Uniform immer wichtiger. Auch der derzeitige Konflikt in Spanien ist symptomatisch. Mit solchen politischen Klassen kann aus der freiheitlichen Demokratie nicht allzuviel werden, es sei denn die Bürger verteidigen sie – eben im Interesse des Ganzen.
Spanischer Offizier wurde vom Dienst "befreit"
Soldaten dürfen offenbar keine eigene Meinung haben |
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