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Die rotgrüne Koalition in Bonn wollte das Thema "deutsche Staatsbürgerschaft für Ausländer" schnell vom Tisch haben. In gesetzgeberischer Panik wurde das Projekt durch den Bundestag gepeitscht. Möglichst vor den nächsten Landtags- und Europawahlen soll das Thema von der politischen Bühne verschwunden sein, nachdem fünf Millionen Bundesbürger sich in Unterschriftenlisten der Unionsparteien eintrugen und außerdem die hessischen Landtagswahlen für SPD und Grüne zum Fiasko wurden.
Eigentlich könnten sich die Unionsparteien jetzt auf die Schultern klopfen, denn der vom Bundestag beschlossene Entwurf, der auch bald den Bundesrat passieren dürfte, hat mit der ersten Vorstellung der rotgrünen Koalition nicht mehr viel gemeinsam. Zunächst wollte Innenminister Schily allen hier lebenden Ausländern die generelle Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit einräumen. Jetzt wird der Doppelpaß nur noch Kindern gegeben, die sich aber bis zum 23. Lebensjahr entscheiden müssen.
Doch der Erfolg der Union wird durch das eigene Abstimmungsverhalten wieder in Frage gestellt. Wenn der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers mit Blick auf die Unterschriftenaktion sagt, die Mehrheit der Bürger wolle keine regelmäßige doppelte Staatsbürgerschaft, dann fragt sich diese Mehrheit doch gewiß, warum die Union in der Abstimmung keine geschlossene Haltung an den Tag gelegt hat. Von den 245 Abgeordneten der CDU/CSU enthielten sich 20 der Stimme. Weitere 40 sollen den Plenarsaal bereits vor der Abstimmung verlassen haben.
Denn worum es beim Kinder-Doppelpaß wirklich geht, sagte Schily nur verklausuliert. Der SPD-Politiker sprach von einem großen Modernisierungsschritt, der dazu beitragen werde, "Staatsvolk und Wohnbevölkerung wieder in Übereinstimmung zu bringen". Rüttgers ahnte Böses: Schily wolle "das, was man unter deutscher Nation versteht, verändern". Rüttgers hat recht. Auch in der eingeschränkten Fassung wird das neue Staatsbürgerschaftsrecht das deutsche Staatsvolk im Kern verändern. In Schüben, die nur nicht mehr so schnell erfolgen (was die Chance auf Korrektur länger erhalten könnte), wird aus dem Staat der Deutschen eine multikulturelle Veranstaltung. Rotgrün folgt damit dem Ideal der multikulturellen USA.
Selbst die jetzt beschlossene Fassung, die neben dem Doppelpaß für Kinder eine erleichterte Einbürgerung von erwachsenen Ausländern vorsieht, wobei die Behörden bei doppelten Staatsangehörigkeiten großzügig sein sollen, kann noch ungeahnte Folgen haben. Gerade vor dem Hintergrund des Kosovo-Konfliktes könnten 600 000 Menschen von dort die Einbürgerung beantragen und bekommen, erinnerte Bayerns Innenminister Günter Beckstein. 700 000 Ausländerkinder unter zehn Jahren könnten, wenn die Eltern den Antrag stellen, aufgrund der Regeln des neuen Gesetzes kurzfristig auch die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Weitere 80 000 neugeborene ausländische Kinder pro Jahr erhalten den Doppelpaß automatisch.
Die Voraussetzungen für Erwachsene, die sich einbürgern lassen wollen, sind eigentlich keine. Die geforderten Kenntnisse der deutschen Sprache werden in dem Gesetz einfach als vorhanden unterstellt. Eine wie in Einwanderungsländern übliche Prüfung findet nicht statt. Dabei sind gerade fehlende Sprachkenntnisse das größte Integrationshindernis, wie sich beim Nachzug von Ehefrauen aus der Türkei zeigt. Diese Frauen sprechen kein Deutsch. Sie lernen es auch nicht in Deutschland, weil in den Familien nur türkisch gesprochen wird. Der Doppelpaß fördert die Integration also nicht.
Unausgegoren ist der Gesetzentwurf außerdem: Eine hier geborene Ausländerin muß sich mit dem 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Hat die Frau bis dahin bereits Kinder geboren, bleibt deren deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Die Kinder der Frau müssen auch nicht optieren, sondern können die fremde Staatsangehörigkeit behalten.
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