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Es könne doch "nicht angehen, daß ein Däne bestimmt, wer in Deutschland Ministerpräsident wird", befand vor 18 Jahren der legendäre Franz-Josef Strauß. Zumindest bestimmte damals der SSW-Landtagsabgeordnete Meyer, privilegierter Repräsentant der dänischen Minderheit in Deutschlands höchstem Norden, wer nicht Ministerpräsident wurde; das so erzeugte Patt im Parlament führte wenig später zu Neuwahlen, SPD-Wahlsieg und bislang 17jähriger Genossenherrschaft. Heute liegt es in den Händen zweier SSW-Abgeordneter, die "Ära Simonis" zu beenden, nachdem dies der Mehrheit der nichtdänischen Wählerschaft nicht gelungen ist. Knapp über 700 Stimmen fehlten Peter Harry Carstensen am Ende.
Dennoch ist der CDU-Spitzenkandidat der eindeutige Sieger dieser Wahl. In jeder nur denkbaren Beziehung. Seine Partei hat die andere Volkspartei, die SPD der Heide Simonis, um Längen geschlagen, aus acht Prozentpunkten Rückstand 1,5 Punkte Vorsprung gemacht. Das war nicht nur "Heides" Niederlage, sondern vor allem sein Sieg.
Carstensen hat auch all die "kritischen Geister" und Bedenkenträger (in allen politischen Lagern) Lügen gestraft, die ihn als irgendwie ganz nett, ansonsten aber plump, unerfahren, ohne Charisma und total unbekannt abqualifiziert hatten. Was er selber vor wenigen Wochen im Interview mit dieser Zeitung gesagt hatte ("Ich erlebe die Stimmung im Lande völlig anders als die Medien."), hat sich nun auf eindrucksvolle Weise bewahrheitet. Er war ein viel besserer Kandidat, als mancher - auch unter den eigenen Parteifreunden - ihm vorher zugetraut hatte.
Doch was nützt ihm der so redlich verdiente Triumph? Am Ende dieses langen Abends nach der Wahl stand er zwar nicht mit leeren Händen da, aber mit der Perspektive, bis auf weiteres Anführer der stärkstmöglichen Opposition zu sein. Das tröstet nicht darüber hinweg, um den eigentlichen Lohn aller Wahlkampfmühen betrogen zu sein.
Bei Redaktionsschluß dieser Folge wußte noch niemand so recht, wie es nun weitergehen könnte in Kiel. Die vom Wähler abgestrafte rot-grüne Koalition will einfach weitermachen - nicht ganz so wie bisher, sondern mit Duldung der dänischen Minderheitsvertreter. Viele von den rund 50.000 Schleswig-Holsteinern, die dieser Minderheit zuzurechnen sind, mißbilligten übrigens bei Umfragen diese unangemessen große Bedeutung ihrer Partei als "Königsmacherin".
Jedenfalls würde bei einer solchen "Dänen-Ampel" nicht die stärkste Fraktion - wie es guter demokratischer Brauch ist - den Regierungschef stellen, sondern der Verliererin gestattet, fünf weitere Jahre an ihrem Amt zu kleben. Das ist zwar nicht illegal, hat aber auch nichts mit politischem Anstand zu tun.
Ob die Dänenpartei sich doch noch dazu aufraffen kann, die Respektierung des landesweiten Wählerwillens über ihre engeren Eigeninteressen zu stellen, scheint derzeit ebenso unwahrscheinlich wie eine Große Koalition mit Carstensen als Chef und der SPD als Juniorpartner.
Zum Schluß sei noch einmal an den Großen Vorsitzenden in Deutschlands tiefstem Süden erinnert: FJS pflegte die Kanzlerschaft Helmut Kohls mit den Worten zu kommentieren: "Ist mir doch wurscht, wer unter mir Kanzler ist." Aber kann man einem strahlenden (und am Ende betrogenen) Sieger wie Peter Harry Carstensen wirklich zumuten, so über das Amt des Ministerpräsidenten zu denken?
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Die ersten Hochrechnungen waren für die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis ein Schock. Die von ihr als selbstverständlich angesehene Wiederwahl drohte sich in Luft aufzulösen. Doch anstatt zu hinterfragen, was so viele Wähler dazu gebracht hat, der SPD ihre Stimme zu entziehen, wurde nur hektisch überlegt, wie die Sozialdemokraten die Macht in Kiel behalten könnten. |
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