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Bundeskanzler Helmut Kohl ignorierte unlängst schlichtweg die Frage des "Bericht aus Bonn"-Moderators Alexander v. Sobeck, was er denn angesichts der hohen Euro-Ablehnungsrate von über 70 Prozent zu tun gedenke. Die ZDF-Wirtschaftsredaktion muß dies möglicherweise dazu angestiftet haben, in Sachen Euro unter dem etwas spektakulären Titel "Mordfall D-Mark / Vor der Entscheidung über den Euro" nachzufassen. Die sonst eher als spröde geltenden Wirtschaftsredakteure wollten sich wohl nicht lumpen lassen, weshalb sie das dramatische Vorhaben, unsere Währung preiszugeben, in das Gewand eines fiktiven Gerichtsprozesses kleideten man ist ja schließlich vom Fernsehen, und Mord & Totschlag gehören gewissermaßen zum guten Ton und zum blutigen Allabendgeschäft.
Doch man unterschätzte, wie sooft sonst auch, die Urteilskraft der ZDF-Gucker: Die vorab auf gut demokratische Weise befragten Zuschauer hatten die Möglichkeit, ihre Zustimmung oder Ablehnung zum Euro telefonisch kundzutun. 16 Prozent von 16 000 anrufenden Zuschauern befürworteten die neue Währung, 84 Prozent lehnten sie ab. Doch erwiesen sich die sachlich referierten Argumente von Prof. Walter Hankel als überzeugendes Mittel, um die Zuschauer der fiktiven Gerichtsverhandlung nicht in ihrem Urteil wankend werden zu lassen, während die Euro-Verfechter sich auf dem schwankenden Boden von Mutmaßungen und Verheißungen bewegten. Als die Zuschauer nach einer guten Stunde neuerlich zu einer Stimmabgabe ermuntert wurden, blieb das Ergebnis nur um einen Prozentpunkt verschoben. Es muß verwundern, warum angesichts solch eindeutiger Umfrageergebnisse Politiker vermeinen, unbekümmert zur Tagesordnung übergehen zu können.
Kurzzeitig kam in dieser ZDF-Sendung die Rede von einer "parlamentarischen Diktatur" auf. Eine neue Form von Despotie? Wenn ja, wer ruft den Staatsanwalt?
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