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Paretz bietet dem Besucher einen neuen Blick auf das architektonische Ensemble und ab 2. September eine neue Ausstellung. Nach der Wiederherstellung des Schlosses Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise in den Jahren 1999 bis 2002 wurde nun der westliche Flügelbau restauriert. Er wurde 1797 bis 1799 von David Gilly als Scheunengebäude und Pendant zum gegenüberliegenden Pferde stall errichtet und auch als Remise genutzt. Da lag die Idee nahe, an diesem Ort die Aufmerksamkeit auf die kleine bedeutende Sammlung von Kutschen, Schlitten und Sänften des preußischen Königshauses zu lenken. Mit den kultur- und kunsthistorisch wertvollen Zeugnissen der einstigen königlichen Marstallsammlungen will die Sonderausstellung Einblicke in die Sammlungsgeschichte und die Berliner Wagenbaukunst geben.
Die Größe der heute anders genutzten Marstallbauten in Berlin und Potsdam lassen auf umfangreiche Sammlungen in den Remisen schließen. Quellen sprechen von Plünderungen, natürlichem Verfall, aber auch von mangelnder Pflege und wiederholten Verkäufen im Zuge wechselnder Moden. An die 170 Kutschen zählten im Jahr 1802 zum königlichen Fuhrpark. Die prächtigen barocken Staatkarossen fehlten bereits, während die Prunkschlitten-Sammlung mit herausragenden Stücken in der zum Marstall gehörenden und Besuchern offen stehenden Rüstkammer die Zeiten überdauert hatte. 100 Jahre später war der Fuhrpark auf 400, in der Mehrzahl moderne Gala- und Stadtwagen, angewachsen. Die Wagenhallen im neu errichteten Berliner Marstall am Schloßplatz waren ein Teil des hier 1902 eröffneten Marstallmuseums. Für eine „historische Abteilung“ hatte Kaiser Wilhelm II. alle noch aus der Rüstkammer und in den preußischen Schlössern vorhandenen „historisch wertvollen“ Gefährte zusammenführen lassen. Sie wurden nach Auflösung des Marstalls 1918 gemeinsam mit einigen Galawagen in die Sammlungen des Hohenzollern-Museums im Schloß Monbijou integriert. Trotz Auslagerung während des Zweiten Weltkriegs kam es erneut zu Verlusten und schweren Beschädigungen, die zum Teil heute noch zu sehen sind. Bewußt will die „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“ (SPSG) mit dieser Ausstellung auf die noch restaurierungsbedürftigen Wagen aufmerksam machen, sie will Dank sagen für bereits erhaltene finanzielle Unterstützung und auch zur weiteren Hilfe anregen.
Eine Rarität ist die Kinderkutsche des Kurprinzen Friedrich Wilhelm (um 1690), die älteste in Europa. Der kleine Prunkwagen wurde nach holländischem Vorbild in höchster Qualität hergestellt. Geschnitzte und bemalte Hoheitszeichen verweisen auf die politisch beeinflußte Ästhetik der höfischen Wagenbaukunst.
Ein Gartenwagen mit Baldachin Friedrichs II. (1764) für den Park Sanssouci, ein typischer Lustwagen des Rokoko nach Art der Phaetons, jedoch mit breiten, zum Wegeschutz mit Leder bespannten Rädern, und ein Gala-Berline-Coupé (1755 / 1765) nach grafischen Vorlagen Johann Michael Hoppenhaupts geben Beispiele für die friderizianische Wagenbaukunst. Zwei entwicklungsgeschichtlich folgende Staatswagen Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. können wegen laufender Restaurierungsarbeiten nur in Bild und Text vorgestellt werden. Fried-rich Wilhelm III. bewies in der Repräsentation außerordentliche Zurückhaltung. Für seine Galawagen orderte er Form und Schnitt nach englischen Modellen und eine braune Lackierung, obwohl nach dem Einwand seines Hofmarschalls von Massow „man einmal gewöhnt ist, alle Galakutschen mit Goldgrund oder Aventurin zu sehen“. Letztgenannte „Streugoldtechnik“ fand bei einer für die Kronprinzessin Luise zur Hochzeit überarbeiteten Sänfte Anwendung. Sie bildet das zeitliche Schlußlicht der erhaltenen Sammlung. Mit drei früher entstandenen Sänften dokumentiert die Ausstellung deren künstlerische Entwicklung und Gebrauch im zeremoniellen Zusammenhang. Schließlich werden drei für höfische Schlittenfahrten und Karussells verwendete unterschiedliche Typen von barocken Rennschlitten mit reichem plastischen Schmuck und symbolischen Bezügen zum Insassen gezeigt. Außerdem sind zur Hofhaltung wichtige Fahrzeuge, ein Feuerspritzwagen und ein Transportwagen für die Kübelpflanzen sowie ein durch Größe und Konstruktion besonders beeindruckender Steintransportwagen aus dem 18. Jahrhundert zu sehen.
Die Autorin ist Kustodin der Marstallsammlung. Schloß Paretz, Parkring 1, 14669 Ketzin, ist bis 31. Oktober von 11 bis 17 Uhr, vom 1. November bis 31. März an den Wochenenden und feiertags von 11 bis 16 Uhr geöffnet, Eintritt 4 / 3 Euro. |
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