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Der liberale Wirtschaftsflügel der CDU - verkörpert durch den Wirtschaftsrat - hielt am 17. Juni Heerschau in Berlin. Zum großen Glück für die Unions-Führung war das Interesse der Medien nicht annähernd so groß wie der Andrang von CDU- Sympathisanten. Die Journalisten waren zu sehr mit dem EU-Gipfel befaßt. Sonst hätten sie dem Treffen eine höhere Bedeutung geschenkt.
Merkel selbst wurde der angemessene Respekt gezollt, als sie abends im Nobelhotel Interconti auftrat. Doch der wirkliche "Kanzlerkandidat der Herzen" war unter den hier Anwesenden Friedrich Merz , der dem Vorstand des CDU-Wirtschaftsrats angehört. Er erhielt stehende Ovationen und wurde gefragt: "Welche Unterstützung brauchen Sie, damit Sie nach dem Wahltag an zentraler Stelle Verantwortung für Deutschland übernehmen können?" Als ein Redner diese Frage gestellt hatte, wollte der Jubel des überfüllten Ballsaales gar kein Ende nehmen. Kanzlerkandidatin Merkel erschien plötzlich nur noch als der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Union hatte einigen können.
Doch das war nicht das einzige hausgemachte Problem der wahrscheinlichen Regierungspartei in spe, das hier in Berlin deutlich wurde. Weder die Vorhersagen über ein mögliches (und dann wahrgewordenes) Scheitern des EU-Finanzgipfels noch die beiden Abstimmungsdesaster in Frankreich und Holland haben der besinnungslosen EU-Euphorie etwas anhaben können, die selbst ansonsten kühl kalkulierende Teile der CDU immer dann befällt, wenn einer "Europa" sagt. Als Hauptgast beim CDU-Wirtschaftsrat wurde EU-Kommissar Günter Verheugen in der Hauptstadt wie ein Star gefeiert. "Kein Land hat soviel Grund, sich zu Europa zu bekennen, weil es unser Land war und unsere Verbrechen waren, die die Spaltung Europas hervorgerufen haben", rief Verheugen den CDU-Ökonomen entgegen, die ihm Beifall dafür spendeten. Jalta, Potsdam, Stalin - alles allein ein Werk der Deutschen. Applaus.
Für den Fall, daß auch die Union als Regierungspartei keine wirkliche Wende in Deutschland erreichen sollte, äußerte Friedrich Merz mit Hinblick auf die neue Linkspartei während einer der drei Podiumsdiskussionen seine Befürchtung: "Dann bilden sich Alternativen, nicht nur auf der Linken, sondern auch auf der Rechten." |
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