|
Was heißt das eigentlich, wenn die Schulen leerstehen? Werden dann Altersheime daraus? Was wird aus den Einkaufszentren, der Infrastruktur? Diese Fragen beschäftigen Volker Hauff, der das Buch "Unterm Strich" herausgibt. Es handelt vom Aussterben der Deutschen.
Auf 124 Seiten wird geschildert, wie das Land aussieht, wenn es viele Alte und kaum noch Junge gibt. Zur Vorstellung des Büchleins ist Klaus Töpfer ins Berliner "Dussmann-Haus" gekommen. Er gibt sich bedrückt: "Das macht mich besorgt, daß wir keine gesellschaftspolitische Debatte darüber haben."
Das ZDF jedenfalls ist gewillt, einen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten. Nächstes Jahr kommt folgende Geschichte als Dreiteiler ins Fernsehen: Im Jahr 2030 gibt es das "Schillertheater" in Berlin immer noch. Doch: Auf der Bühne finden keine Aufführungen mehr statt. Im Jahr 2030 ist dort ein Auffanglager für gestrauchelte Senioren. Und von denen gibt es in jener Zeit viele. Altersarmut wird der Normalzustand sein in einem Land, das seit Jahrzehnten nicht mehr genügend Kinder gebärt und dessen Sozialsysteme zusammengebrochen sind.
So sieht es der Film "2030 - der demographische Wandel". Im Mittelpunkt steht die Journalistin Lena Bach (gespielt von Bettina Zimmermann). Sie geht dem Tod eines Rentners nach und lernt dabei Ben Franke (Heinz Krückeberg), einen Freund des Verstorbenen, kennen. Franke arbeitet - wie so viele Angehörige seiner Generation - mit 75 als Fensterputzer.
Der Kniff: Das ZDF erzählt anhand eines Einzelschicksals die Geschichte einer über Jahre hinweg fehlgeleiteten Renten- und Gesundheitspolitik. Zur Dokumentierung dieser "Entwicklung" wird ein vollständiges Zukunftsszenario entwickelt. Die Geschichte spielt in Berlin und dem Umland. Schauplätze sind neben dem "Schillertheater" das Internationale Kongreßzentrum (ICC) und das Velodrom. Ein Potsdamer Gebäude dient als Unternehmenszentrale der Firma "Prolife", die mit Altersarmut Geld verdient. Dazu kommt als Drehort des Dreiteilers Südspanien. Beteiligt sind 50 Schauspieler und 600 Statisten.
Das Thema Kinderarmut ist längst aus den Seminarräumen (der wenigen) Bevölkerungswissenschaftler in die Feuilletons der Presse gerutscht, aber noch längst nicht bei allen Deutschen angekommen. 2030 könnte das Schlüsseljahr werden. Nach der alten Regelung ginge der Geburtsjahrgang 1964 2029 in Rente. Nach der Einführung der Rente mit 67 wird dies im Jahr 2031 der Fall sein.
Warum ist der Geburtsjahrgang 1964 so wichtig? Er war der stärkste Geburtsjahrgang, danach ging es erst langsam, dann rapide bergab. Der Trend von immer mehr alten Leistungsempfängern und immer weniger jungen Beitragszahlern wird also ungefähr um das Jahr 2030 seinen Höhepunkt erreicht haben.
Das Land Rheinland-Pfalz hat sogar eine Initiative "Zukunftsradar 2030" gestartet. Auch Brandenburg bereitet sich auf den bevölkerungsmäßigen Supergau vor. Und jetzt also das ZDF. "Unser Ziel ist es nicht, die technische Entwicklung zu zeigen, sondern die gesellschaftliche", sagt Jasmin Gravenhorst. Die 47jährige ist Produzentin des Films "2030". Sie versichert, daß nur wenige Computeranimationen eingesetzt worden seien. "Wir wollen auch nicht allzu sehr falsch liegen." Aber: Moderne Autos, Baujahr 2030, werden schon zu sehen sein.
Es geht auch nicht schwerpunktmäßig um die wenigen Jungen, die es 2030 natürlich immer noch gibt. "Es geht um die Alten", betont Gravenhorst. Und um die Trends der Zukunft: Die Wohlhabenden werden weiterhin luxuriös leben. Familien werden weiterhin ein bis zwei Kinder haben. Es wird Kinderprämien wie das Elterngeld geben.
Drastisch ändern wird sich das Landleben nach der Landflucht. So wird eine Alten-WG gezeigt, die aus rüstigen Selbstversorgern besteht und den "Seniorensender Brandenburg" (SSB) betreibt. Neben dem Radioprogramm kümmern sich die Alten um ihre Ziegen. Es wird 2030 mehr Flexibilität geben müssen. Menschen ziehen ihren Jobs hinterher.
Und wer ist schuld? Gravenhorst ist sich sicher: die Politik. "Alles läßt sich in die Gegenwart zurückverfolgen. Politiker haben jahrelang die Augen verschlossen." Die Produzentin will aufklären, aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. "Wir brauchen diesen Film, um das Bewußtsein für den Bevölkerungstrend zu schaffen", sagt sie. "Unser Anliegen ist es, etwas zu bewegen."
Gravenhorst fiel auf, daß ihren Praktikanten erst bei der Recherche für den Film klargeworden sei, was der demographische Wandel für sie konkret bedeutet. Die ersten hätten nun damit begonnen, für ihr Alter vorzusorgen. Viel zu viele junge Menschen haben früher die notwendigen 50 Euro für Schuhe ausgegeben, statt sie in die Altersvorsorge zu investieren, findet Gravenhorst.
Auch Klaus Töpfer, Ex-Uno-Kommissar und Ex-Umweltminister, weiß keinen besseren Rat als den, daß jeder selbst für seine Zukunft vorsorgen soll, statt sich auf "die Politik" zu verlassen. Eine Verbesserung, die von Politikern ausginge, hält er für unrealistisch. "Man hat ja selbst lange genug in der Politik mitgearbeitet", seufzt er resigniert über sich selbst. Es klingt schon wie ein Schuldeingeständnis vor Gericht. |
|