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Der Wahlwerbespot der Berliner CDU beginnt so: Die Kamera schwenkt auf das Rote Rathaus. Unterlegt von einem heiteren Flötenkonzert werden dann die verlassenen Amtsräume des Regierenden Bürgermeisters gezeigt: Da liegen Akten mit dem Vermerk „dringend“ ungelesen auf dem Tisch. Daneben eine CD von der „Love Parade“. Als nächstes zeigt die Kamera eine entkorkte Flasche Champagner und einige Einladungen: zum Bankett, zum Spargelessen, zur Party. Der Hörer liegt neben dem Telefon. Am Schluß sieht der Zuschauer einen Damenschuh und zwei leere Aspirin-Packungen. Das ganze ist unterlegt mit Radiomeldungen, die von der prekären Situation Berlins berichten. Dann ein Zettel: „Bin zur Party, Klaus W“. Mit diesem Gassenhauer will die Union in der heißen Phase des Berliner Landtagswahlkampfs doch noch punkten. So sieht sie Wowereit - als Partymeister, als Hallodri, vielleicht sogar als Trunkenbold. In dieser Vorstellung ist Wowereit nur eine Karikatur. So wie Ronald Reagan für seine Gegner in den 80er Jahren immer nur ein „mittelmäßiger Hollywood- Schauspieler“ war. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Wowereit dieses Image noch selbst gefüttert. Sein öffentliches Bekenntnis zur Homosexualität („… und das ist gut so“), seine Partybesuche, das Knutschen mit Desireé Nick - mit dieser flimmernden Herumtreiberei hat er sein Bild vom Müßiggänger eigenhändig geschaffen. Aber damit ist längst Schluß. Wowereit meidet heute Alkohol. Im Mai besuchte er mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck den Spreewald. Platzeck zeigte sich dabei betont leger. Jacke aus, Ärmel hoch, Bier auf. Und das schon mittags! Wowereit dagegen trank nichts. Dann erreichte der Bus ein Thermalbad. Jeder erhielt einen Cocktail, und jedesmal, wenn Wowereit an seinem Strohhalm saugte, entlud sich ein Blitzlichtgewitter. Was niemand weiß, der die Bilder sieht: Die Cocktails waren allesamt alkoholfrei. Weil das aber keiner sehen konnte, war die Knipserei dem Regierenden unangenehm. Ein Griff zum Cocktailglas als PR-Betriebsunfall - das wurmte Wowereit, den sein Partykönig-Image von einst heute mehr als lästig ist. „Arm, aber sexy“ sei Berlin, hatte Wowereit einmal geflachst. Das mag defätistisch klingen. Aber es ist wenigstens eine Strategie, mit der Malaise umzugehen. Damit, daß Berlin dauerhaft knappe Kassen haben wird. Wowereit hat die „andere“ Zeit noch gut in Erinnerung. 1984 wurde er Bezirksstadtrat für Bildung und Jugend in Tempelhof, jenem Westbezirk, der vor der Wende 30 Prozent aller West-Berliner Arbeitsplätze beheimatete. Vor 1990 konnte die Berliner Politik aus dem vollen schöpfen. Nach der Wende war das Geld vom Bund weg und die Unternehmer auch. Wowereit sagt über seine damalige Zeit als Stadtrat: „Die Erfahrungen aus der Kommunalpolitik waren für meine späteren Tätigkeiten grundlegend und sind für mich bis heute maßgeblich.“ Der Diepgen-Senat hatte nie ein Konzept. Die CDU dachte, sie könne das alte West-Berliner Filzsystem auf die ganze Stadt ausdehnen und sich weiter an unbegrenzten Mitteln laben. Was hat das Berlin gebracht? Schulden, Schulden, Schulden. Wowereit hat versprochen, Berlin werde ein Ausmaß von Vetternwirtschaft wie unter Diepgen und seinem Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky nicht mehr zulassen. Seinen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder drängte er schon wegen einer kleineren Bauaffäre zum Rücktritt. 1995 wurde Wowereit Abgeordneter, mußte miterleben, wie seine Partei als Juniorpartner in der Großen Koalition von Niederlage zu Niederlage taumelte. Wowereit - ab 1999 Fraktionschef - zog die Notbremse und beendete das Bündnis mit der Union. Überraschend war daran nur, daß die Genossen nicht schon früher aus dieser Koalition ausgeschert waren. Und, daß die eigene Verstrickung der SPD in die skandalträchtige Berliner Bankenaffäre ihr nie geschadet hat, sondern offenbar allein der mitregierenden CDU. Es war Wowereits Senat, der hinterher die „Risikoabschirmung“ vornahm. Statt die Bankgesellschaft pleite gehen zu lassen, übernahm das Land die Verbindlichkeiten. Im schlimmsten Fall über 20 Milliarden Euro. Ein klarer Gegensatz zu den sonst ernsten Sparbemühungen. Wowereits Bilanz ist auch sonst durchwachsen. Für jede neuangesiedelte Firma zog eine andere weg. Der Großflughafen, sein Steckenpferd, kommt nur millimeterweise voran. Bei Pisa ist Berlin immer nur Mittelmaß, Privatschulen werden stiefmütterlich behandelt, seit die Linkspartei mit am Ruder sitzt. Den Atheisten von links sind vor allem konfessionelle Gymnasien ein Dorn im Auge. Zu alldem kam der Skandal um die Rütlischule - Berlins Schulpolitik ist ein einziges Desaster. Wowereit wird auch das weglächeln. Sollte der Jurist im September wiedergewählt werden, dann nicht wegen seiner Erfolge, sondern wegen der „weichen“ Aspekte des Wahlkampfs: Wowereit ist die personifizierte Überwindung des Ost-West-Konflikts, er versprüht gute Laune trotz miserabler Lage. Und er hat sich nichts Wesentliches zuschulden kommen lassen in seinen fünf Amtsjahren. |
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