|
Englands Kriegsinteressen waren nach dem Ersten Weltkrieg saturiert. Die deutsche Kriegs- und Handelsflotte waren dezimiert beziehungsweise an die Sieger übergeben. Deutschlands Außenhandel war vom Markt verschwunden. Das Empire hatte sich die Mehrzahl der deutschen Kolonien einverleiben können. Und das kaiserliche Deutschland war als erste Macht des Kontinents zerschlagen. Wie Churchill in seinen Memoiren schrieb, war es seit 400 Jahren die Aufgabe britischer Außenpolitik, sich der jeweils stärksten Macht auf dem Kontinent "entgegenzustellen". Das war gelungen.
Ab dem Jahr 1937 stieg das Deutsche Reich erneut wirtschaftlich und militärisch zur stärksten Macht Zentraleuropas auf. Dazu kam, daß Adolf Hitler wiederholte Male in Frankreich und in Großbritannien die spätere Rückgabe der ehemals deutschen Kolonien oder Kompensation dafür gefordert hatte. Damit entstanden für die Briten drei alte Probleme: erstens die wachsende Wirtschaftskraft und Konkurrenz der Deutschen, zweitens eine neue stärkste Macht in Zentraleuropa sowie drittens der Anspruch Hitlers auf die Kolonien.
Hitler hatte einerseits mit dem im Juni 1935 abgeschlossenen deutsch-britischen Flottenabkommen die maximale Stärke der deutschen Seestreitkräfte vertraglich und tatsächlich auf ein Drittel der englischen begrenzt. Andererseits hatte er im Frühjahr 1939 aus dem Rest der inzwischen zerfallenen Tschechoslowakei, also der Tschechei, ein deutsches Protektorat gemacht und hiermit ein dem britischen Premierminister zuvor gegebenes Wort gebrochen. Damit war den Briten klar, daß Hitler notfalls über Leichen gehen würde.
Für die politische Elite Englands schien nun absehbar, daß Hitler nach einer friedlichen Danzig-Regelung zu Deutschlands Gunsten auch den letzten noch offenen Punkt der Versailles-Revision auf die Tagesordnung bringen würde, die Rückgabe der ehemals deutschen Kolonien. So versuchte die britische Regierung 1939, Hitler mit der Danzig-Angelegenheit eine Hürde aufzubauen, an der er springen oder halten mußte, also von sich aus Krieg beginnen oder auf die Heimkehr Danzigs und den Schutz der deutschen Minderheit in Polen verzichten. Und letzteres war kaum noch möglich. England schloß dazu im März 1939 einen britisch-polnischen Beistandspakt, um Polen in der Danzig-Frage stark zu machen.
Eine Woche vor Kriegsbeginn hat die britische Regierung der deutschen dann vorgetäuscht, sie würde in der Danzig-Angelegenheit zwischen Warschau und Berlin vermitteln. Der polnischen Regierung hat sie dann verschlüsselt mitgeteilt, sie sollte zwar verhandeln, bräuchte aber dabei nicht auf die deutschen Forderungen einzugehen. Damit war der Ausbruch eines weiteren Weltkriegs kaum noch aufzuhalten.
|
|