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Die Zeitbombe tickt

 
     
 
Auch wenn Ex-Jugoslawien zuletzt kaum Schlagzeilen lieferte, heißt das nicht, daß dort alles in Ordnung ist, sondern nur daß bodenständige Korruption und Mißwirtschaft sowie fremde Einmischung durch wirtschaftliche Ausbeutung oder ideologische Prinzipienreiterei in erträglichem Rahmen bleiben. Dies gilt für Montenegro
, das im Mai unabhängig geworden ist. Es gilt auch für das mühsam verwaltete UN-"Protektorat" Bosnien-Herzegowina, wenngleich der Ausgang der Wahlen im Oktober noch Zündstoff liefern könnte. Es gilt vor allem für Kroatien, das bereits über den EU-Beitritt verhandeln darf - allerdings einen Grenzkonflikt mit Slowenien hat. Und es gilt für Makedonien, zumindest solange der Kosovo-Konflikt nicht eskaliert.

Eine echte Zeitbombe, eine von der "Staatengemeinschaft" selbst gelegte, tickt hingegen im Kosovo. Denn man ließ den Eindruck entstehen, daß die Kosovo-Frage bis Jahresende gelöst sein werde - "so oder so". "So" bedeutet, im Einvernehmen mit Albanern und Serben, und "so", auch gegen den Willen einer oder beider Parteien. Von Einvernehmen kann aber keine Rede sein, denn die im Januar unter Leitung des Finnen Ahtisaari begonnenen Verhandlungen in Wien stecken hoffnungslos in der Sackgasse: Die Kosovo-Albaner, die heute rund 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, bestehen auf "Unabhängigkeit", Serbien aber will nur "Autonomie" zugestehen.

"Völkerrechtlich" ist das Gebiet Kosovo (albanisch Kosova) weiter ein Teil Serbiens, auch wenn es de facto seit 1999 ein Protektorat unter der UN-geführten Verwaltung "UNMIK" und der Nato-geführten internationalen Truppe "Kfor" ist. Die neue serbische Verfassung, die durch die Volksabstimmung letztes Wochenende (knapp) bestätigt wurde, dient zwar primär dem Abwurf von Ballast noch aus den Zeiten von Tito und Milosevic, schreibt aber die "Provinz Kosovo" als Bestandteil Serbiens fest.

Dazu kommt, daß Rußland seit der Wende wie einst in zaristischer Zeit als Schutzmacht Serbiens auftritt und in der Uno alles blockieren wird, was Belgrads Interessen massiv beeinträchtigen würde. Rußlands Rolle ist dabei stärker denn je, und das beruht nicht nur auf "Erdgas", sondern auch auf politischer Logik: Wenn der Westen die von Rußland unterstützte Abspaltung Abchasiens und Südossetiens von Georgien verhindern will, wieso betreibt er dann die Abtrennung Kosovos von Serbien? Noch dazu, wenn damit ein serbisches Minderheitenproblem entstehen würde.

Albanien hält sich sehr zurück, und auch das ist erklärlich: In Albanien dominiert die Sprach- oder Stammesgruppe der "Tosken", jedoch bei Vereinigung mit dem Kosovo hätten die "Gegen" eindeutig die Mehrheit. Das bedeutet zugleich, daß ein zweiter albanischer Staat namens Kosova ein Identitätsproblem bekäme. Der im Januar verstorbene Präsident Ibrahim Rugova hatte dies erkannt und unter Bezug auf einen illyrischen Volksstamm die Bezeichnung "Dardania" vorgeschlagen.

Politisch profitiert Serbien auch von Kräften in der EU, die Serbien möglichst bald als neues EU-Mitglied sehen wollen. Und wenn man mit einer Türkei verhandelt, die nicht einmal das Mitgliedsland Zypern anerkennen will, wird man wohl auch Serbien einiges nachsehen dürfen, so die zynische Logik.

Die Kosovo-Albaner haben keine vergleichbare Rückendeckung. Die anfangs bejubelten USA sind weniger an Menschenrechten als an "privatisierten" Bodenschätzen interessiert, und die "Internationalen" werden mehr und mehr als Besatzer empfunden. Allerdings stellt die von ursprünglich 40000 auf 16000 Mann reduzierte "Kfor" zusammen mit den internationalen Polizeikräften und den Mitarbeitern der UNMIK die bedeutendste Einnahmequelle des Protektorats dar. Ein wichtiger Grund, warum der albanische Frust noch nicht zu Ausbrüchen führte. Daß die räumliche Trennung von Albanern und Serben im Kosovo weitestgehend vollzogen ist, will die "Staatengemeinschaft" nicht zur Kenntnis nehmen. Und mittlerweile sind auch die Kosovo-Albaner darauf eingeschwenkt, daß das Land nicht geteilt werden soll.

 

Grenzstreit Slowenien/Kroatien

Zwischen Slowenien und Kroatien schwelt ein Konflikt, der sich nun auch auf die EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens auswirkt. Konkret geht es um Hoheits- und Fischereirechte im Golf von Triest: Die Zwölf-Meilen-Zone Kroatiens (früher Jugoslawiens) stößt nämlich unmittelbar auf die Italiens, und der zwischen den beiden Ländern liegende Küstenstreifen Sloweniens ist dadurch von internationalen Gewässern abgeschnitten. Auch hatten slowenische Fischer früher Fischereirechte in jugoslawischen Gewässern, die heute Kroatien zuzurechnen sind.

Wenn EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn verlauten läßt, dies sei ein bilaterales Problem, scheint das zu kurz gegriffen. Denn zumindest was den Seeverkehr betrifft, offenbart sich hier eine Schwachstelle im internationalen Recht: Kann es "Recht" sein, daß ein Küstenanrainer durch die Zwölf-Meilen-Zonen von Nachbarländern vom offenen Meer abgeschnitten und um die eigene Zwölf-Meilen-Zone gebracht wird?
 
     
     
 
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