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Unter "headline" "big news. small size" in großen Lettern werben baby-gesichtig die vier Politik-Stars des gegenwärtigen Wahlkampfes Merkel, Schröder, Westerwelle und Fischer von Großplakaten für die neue kleinformatige Welt Kompakt. Sie soll als "kleine Schwester" der Tageszeitung Die Welt mit einer aufwendigen Imagekampagne in die Offensive gehen, um eine "junge, gebildete und kaufkräftige" Zielgruppe zu umwerben.
Diese in anglomanischem Kauderwelsch gehaltene Werbung aus einem großen deutschen Verlags haus erscheint rechtzeitig zum "Tag der Deutschen Sprache" am 10. September. Dieser Tag, der die Erhaltung deutscher Sprachkultur anmahnt, wird in diesem Jahr zum fünften Mal begangen. Ausgerufen hat ihn der Verein Deutsche Sprache e.V (VDS), dessen Vorsitzender, der Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer dazu unter Bezug auf Novalis feststellt: "Sprache ist Ausdruck des Geistes". Aus welchem Geist die Werbung für die neue "Baby-Welt" ist, liegt auf der Hand.
Treffend hatte der VDS unlängst den Direktor des kulturell höchst bedeutenden Städel-Museums in Frankfurt am Main Professor Herbert Beck zum "Sprachpanscher des Jahres" gewählt. Lädt doch Beck zu "Unfinished Print" und "Art after Work" mit anschließendem "Get-together" ein, inklusive "Member s Night" in der "Holbein s Lounge". Dazu meint Krämer für den VDS, er habe nichts dagegen, daß Beck mit seinen ausländischen Besuchern Englisch spreche. "Aber warum redet er denn nicht mit seinen deutschen Kunden und Gästen deutsch?" fragt Krämer.
Der "Girl s Day", den Deutschlands Kultusminister in den Schulen unseres Landes zelebrieren, ist schlimm genug. Doch auch Hans Eichels Bundesfinanzministerium kommt dem deutschen Steuerbürger mit einem neuen englischen Begriff daher. Die neue "Steuernummer für die elektronische Abwicklung" heißt "eTIN", was heißen soll: "electronic Tax-payer Indentification Number".
Das heißt, daß die Finanzverwaltung des Bundes mit den Steuerbürgern Englisch redet und damit gegen die Abgabenordnung des Bundes verstößt, deren Paragraph 87 bestimmt: "Die Amtssprache ist Deutsch. Werden bei einer Finanzbehörde in einer fremden Sprache Anträge gestellt, kann (diese) verlangen, daß unverzüglich eine Übersetzung angefertigt wird."
Wenn schon in den Medien, in anerkannten Kultureinrichtungen und von staatlichen Behörden Schindluder mit der deutschen Muttersprache betrieben wird, dann ist es kein Wunder, daß in vielen privaten und gesellschaftlichen Bereichen der Sprachverfall mehr und mehr um sich greift. Die Warsteiner Montgolfiade GmbH veranstaltete unlängst ein Fest für die ganze Familie mit "Night-glows", "Special Shapes", "Ladies Cup", mit "After Work Party" und "After Ballooning Party". In vielen "Back stops" gibt es "coffee to go". Die Stadt Weimar, die einst ihren Dichtern Goethe und Schiller vor dem Deutschen Nationaltheater ein Denkmal errichtete, hat heute ein Parkleitsystem, das zum "Welcome Center" führt ...
Nicht anders im Sport: Die Weltmeister im Biathlon Uschi Disl und Sven Fischer drehten ihre Ehrenrunden zwar mit der schwarz-rot-goldenen Fahne, auf ihren Jacken aber steht "Germany", während selbstverständlich die Norweger mit "Norge" und die Italiener mit "Italia", die Polen mit "Polska" und die Dänen mit "Danmark" auftreten. Der Deutsche Fußballbund bietet in seiner "DFB-Fan-Corner" Schreibsachen auf Englisch an: "Back to Football - Back to School" - und verwechselt dabei noch "Soccer" und "Football".
Das Ärzteblatt beklagte unlängst, daß man sich in manchen Kliniken kaum noch verstehe und karikiert den Klinik-Alltag: "Nachdem der Aufsichtsrat über den neuen CEO (chief executive officer) in unserer Klinik per Dienstanweisung nun den Spirit des TQM (total quality Management) atmen läßt und wir eine Selbstbewertung nach EFQM (European Foundation for Quality Management) durchgeführt haben, setzen wir nun die Ergebnisse des Feedbackberichts konsequent um ... Immer wichtiger wird der Bereich CRM (Customer Relationsip Management), so daß wir eine eigene Public-Relation-Abteilung eingerichtet und ein neues Corporate Design entwickelt haben ...
Doch es gibt auch Lichtblicke, die zeigen, daß nicht nur am "Tag der Deutschen Sprache" das Problembewußtsein in den deutschen Alltag tritt. Dieter Brandes, Ex-Geschäftsführer von Aldi, sagt dazu: "Bei Aldi spricht man die einfache Sprache, die jeder Kassierer, jede Kassiererin und alle im Lager Arbeitenden verstehen. Das sollten sich die Chefs der Deutschen Bahn, der Telecom und der Werbeagenturen hinter die Ohren schreiben: Was viele Menschen als Quatsch empfinden, ist meist Quatsch!"
Mit anderen Worten sagte es Marcel Reich-Ranicki: "Das, was sich jetzt mit dem Englischen im Deutschen abspielt, ist ziemlich lächerlich und abscheulich. Man sollte sich dieser ungewöhnlichen Verfremdung energisch widersetzen." Er und Dieter Brandes haben recht. |
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