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Das organisierte Verbrechen im Königsberger Gebiet hat in letzter Zeit derartige Ausmaße erreicht, daß sogar die Nachbarn im nahen und fernen Ausland sich ernsthaft zu sorgen beginnen. Früher war das gesamte Gebiet für Fremde geschlossen; außer den "eigenen Leuten" hielt sich niemand dort auf. Inzwischen treiben über dreißig Gruppierungen ihr Unwesen. Alle kennen das "ungeschriebene Gesetz" über die Aufteilung des Gebiets. Die meisten Banden haben sich im Gebietszentrum gebildet. Einige "beschützen" die großen Städte des Gebiets: Tilsit, Insterburg, Gumbinnen. In Haselberg, Heinrichswalde und im Ebenroder Gebiet agieren "zugereiste Brigaden".
Die Verteilung der kriminell en Kräfte ändert sich in Königsberg ständig. Sie hängt nicht nur ab von der Anzahl der Banden, von den Beziehungen, die von den örtlichen "Autoritäten" festgelegt werden, sondern auch davon, daß die staatlichen Sicherheitsorgane die Entwicklung einer jeden Bande sehr aufmerksam verfolgen. Wenn eine von ihnen "zu unverschämt" wird, werden ihre Mitglieder sofort verhaftet. Als Beispiel hierfür mag die Verhaftung eines gewissen "Karl" dienen. Er wurde am Unteren Teich verhaftet, unweit des Gebäudes der Firma "Jantar". Der Grund für die Verhaftung war, daß bei ihm Rauschgift gefunden wurde. Für solch eine Kleinigkeit sieht das Gesetz der Russischen Föderation keine lange Haftstrafe vor, so daß Karl nichts zu befürchten hatte. Wäre bei ihm eine Pistole oder andere Waffen gefunden worden, hätte die Polizei ihn eher dingfest machen können, doch auch dieses Vorgehen der Polizei trägt dazu bei, die übermäßig Flinken zu bremsen. Der Verhaftete war kein Unbekannter, er wurde in Königsberg bereits seit langem observiert.
Manchmal schleusen die Ordnungshüter einige Beamte in Auseinandersetzungen unter den Banden ein. So konnte bei der Durchsuchung von Teilnehmern einer Zusammenkunft Feuerwaffen beschlagnahmt werden. Ein anderes Ereignis, das für Lärm sorgte, war die Ermordung von Sascha Litowetz. Der Mann, der für seine Verbindungen in die baltischen Republiken bekannt war, wurde an der Gebietsgrenze erschossen. Anderthalb Wochen vorher hatte bereits eine Königsberger Radiostation Meldungen gesendet, nach denen Litowetz bereits ermordet worden war. Die Ehefrau des damals noch lebenden Litowetz rief daraufhin den Radiosender an, dementierte die Meldungen und teilte mit, daß ihr Mann sich in Litauen aufhalte. Kurz danach ereignete sich der Mord tatsächlich. Wer der Auftraggeber, wer Täter war und welches Motiv es für diese "Beseitigung" gab, muß die Litauer Kriminalpolizei noch aufklären. Es gibt Vermutungen, daß Sascha ernsthafte finanzielle Probleme nicht regeln konnte und dafür mit dem Leben bezahlen mußte. Doch nicht nur Sascha wurde in Litauen getötet, sondern auch Felix, der Anführer einer Gruppe war, die in Tilsit ihren Ursprung hat. Er besaß mehrere Häuser und Wohnungen, die er weiter veräußerte er betätigte sich als Immobilienmakler.
Auch Banden aus anderen Städten versuchen das Königsberger Gebiet zu kontrollieren, indem sie kriminelle "Autoritäten" zwecks Inspektion einschleusen. Diese Angaben wurden vom Leiter der Gebietspolizei nicht dementiert. Es ist "Fremden" bereits gelungen, sich ein Stück vom Königsberger Kuchen abzuschneiden. Viele von ihnen gehören zu einer Vereinigung, in denen über 300 Menschen organisiert sind. Von den eingetriebenen Schutzgeldern werden sämtliche Verhaftungen, Strafen, Verwarnungsgelder und dergleichen bezahlt, mittels derer nach Meinung der Führer der Bande die Polizei versucht, ihnen "die Kehle zuzuschnüren".
Die größten Tätigkeitsgebiete der örtlichen Mafia lassen sich in wenige Kategorien unterteilen. Die Fälle großer finanzieller Affären kann man außer acht lassen: Sie sind so geheim, daß ein normaler Mensch sie gar nicht wahrnimmt und von ihrer Existenz nichts bemerkt. Den Großteil der Verbrechen machen Autodiebstähle aus. Infolge finanzieller Machenschaften mußten schon viele selbst Autodiebstähle erleiden.
Eine Welle "unerklärlicher" Privatisierungen im Bereich von Immobilien rief ein Siebtel der Verzugszinsen von schmutzigen Geschäften mit Wohnungen hervor sie stehen inzwischen an führender Position. Jedes Jahr vergießen Menschen ihr Blut wegen Unterschriften, die sie unter notariell beglaubigte Dokumente gesetzt hatten. Ein Fall wurde bekannt, in dem eine Hauseigentümerin gewaltsam in ein Auto gesetzt und zu einem Notar gefahren wurde, wo sie mit brutalen Methoden gezwungen wurde, zu unterschreiben. Am nächsten Tag befand sich die Frau als Obdachlose auf der Straße.
Die Gruppe "Torpedos" beispielsweise verdient sich ihre Brötchen mit Autodiebstahl. Sie kaufen die neuen Ausgaben von Zeitungen, in denen Autos zum Verkauf angeboten werden. Die Masche ist ganz simpel: Über das Telefon wird die Adresse des Verkäufers erfragt, und er wird beschattet. Wenn das Auto unbeaufsichtigt ist, läßt der ungebetene Fahrer das Auto in einer vorher vorbereiteten Garage verschwinden. Selbst Mitarbeiter der Polizei wissen: Wenn das Auto nicht innerhalb der ersten 30 bis 45 Minuten nach dem Diebstahl gefunden wird, dann kann die weitere Suche sich über viele Monate hinziehen. Es kann auch vorkommen, daß irgendein Mensch den Geschädigten anruft und ihm vorschlägt, den verlorenen Gegenstand in "Kommission" zurückzugeben. Autodiebstahl hat in der Region ein großes Ausmaß angenommen. Der Chef der Kriminalpolizei erklärte gegenüber der Königsberger Tageszeitung "Kaliningradskaja Prawda", daß Autodiebstahl bereits zur "Visitenkarte" des Königsberger Gebiets geworden sei.
In Tilsit wurde ein gewisser Schatzky in seinem eigenen Café aus nächster Nähe erschossen. Es war die Tat eines Killers. Davon geht jedenfalls die Polizei aus, weil sonst wohl niemand in der Lage gewesen wäre, so präzise eine lebende Zielscheibe im Stadtzentrum zu treffen, um danach in aller Ruhe zu verschwinden. Übrigens haben nach diesem Vorfall in der zweitgrößten Stadt des Gebiets die "Vereinigungnen" für einige Zeit Waffenstillstand geschlossen.
Wie in Rußland insgesamt, so findet auch im Königsberger Gebiet ein ständiger Wechsel von Mafia-Eigentum statt. Wer heute noch die baltische Region beherrscht, wird morgen ausgetauscht, und ein neuer Anführer stellt seine eigenen Leute auf. Ein Menschenleben wurde im Land noch nie besonders gewürdigt, heutzutage schon gar nicht. Die Versuche der Ordnungshüter, der anwachsenden Skrupellosigkeit ein Ende zu setzen, tragen erste wahrnehmbare Erfolge. Doch erfahrenes Personal ist bei der Polizei selten geworden. Viele Stellen sind Kürzungen zum Opfer gefallen, andere haben wegen besserer Löhne, die sie anderswo erhalten, den Dienst quittiert. Die Übriggebliebenen sind nicht in der Lage, die Situation zu bewältigen. Deshalb zieht man neue, junge Kräfte heran. Nach Ansicht erfahrener Detektive können die Jungen sich jedoch kein objektives Bild machen. Sie kennen sich noch nicht in den Verbindungen der kriminellen Gruppen aus. Um professionell zu werden, brauchen die Jungen Zeit.
Währenddessen dreht die Mafia nicht Däumchen. Früher waren ihre "Autoritäten" einfache Gangster, heute ziehen es die Anführer der Gruppen vor, eine eigene Firma zu besitzen, mit ein paar Diplomen ihre "höhere Bildung" unter Beweis zu stellen und sich mit anderen Merkmalen sozialer Anerkennung zu schmücken. Sie geben sich als erfolgreiche Geschäftsleute, die selbst unter der wirtschaftlichen Krise im August letzten Jahres zu leiden hatten. Wie die Zukunft der Sicherheitskräfte und ihrer ewigen Gegner sich gestalten wird, ist heute noch völlig ungewiß. MRH (Aus: Kaliningradskaja Prawda)
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