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Berliner Sandkastenspiele

 
     
 
Die einen waren eigentlich dafür, sahen sich aber genötigt, dagegen zu stimmen. Ein paar von den anderen waren eigentlich dagegen, stimmten dann aber doch dafür - so einfach kann man demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung auf den Kopf stellen.

Inszeniert hatte die Polit-Farce der sozialdemokratische Bun- deskanzler Gerhard Schröder. Mit dem Endergebnis konnte er weitestgehend zufrieden sein; er hatte nahezu alles erreicht, was er sich nur wünschen konnte. Kritik in der eigenen Partei: weggewischt; eine besonders renitente Kritikerin war er auf dem Wege des Fraktionsaustritt
s gleich ganz losgeworden - der grüne Koalitionspartner: wieder einmal gedemütigt bis jenseits aller Schmerzgrenzen - die Opposition: in der wichtigen Frage der Terrorismusbekämpfung (unter Beteiligung der Bundeswehr) ins Unrecht gesetzt - die Liberalen: jenes Hintertürchen, durch das sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland so oft wie keine andere politische Kraft geschlüpft sind, bleibt auch diesmal offen. Und endlich wieder einmal - auch diese erfreuliche Nachricht sei erwähnt - durfte die PDS die ihr ziemende Rolle in der deutschen Politik spielen, nämlich gar keine; es war für den Fortgang der Dinge schlicht unerheblich, für oder gegen wen oder was Gysis Neokommunisten stimmten.

Eines hat Schröder mit seinen pseudodemokratischen Sandkastenspielen - anders kann man die Verknüpfung der Afghanistan-Abstimmung mit der Vertrauensfrage ja wohl kaum bezeichnen - allerdings nicht erreicht: vorgezogene Neuwahlen. Die könnten nämlich nur einen Sieger kennen: Gerhard Schröder.

Die Union hat weder einen Kanzlerkandidaten noch ein Wahlprogramm noch eine sofort einsatzfähige organisatorische Infrastruktur für einen Wahlkampf - all das kann man sich nicht mal so eben aus dem Ärmel schütteln. Die SPD-Strategie, die CDU aus heiterem (oder doch nicht so heiterem?) Himmel in einen Wahlkampf zu treiben, hat ja zuletzt in Ber- lin bestens geklappt; warum also sollte man das nicht auf Bundesebene probieren!

Die Grünen wären auf ihre fundamental-oppositionellen Wurzeln reduziert; sie wären momentan ebenso geschwächt wie die PDS, die wohl die Quittung für ihre außenpolitische Außenseiterrolle bekäme. Das Hamburger „Schreckgespenst“ namens Schill wäre so kurzfristig nicht in der Lage, bundesweit in das Wahlgeschehen einzugreifen.

Bleibt die FDP. Sie wäre wohl neben Schröders SPD der zweite Sieger, und sie wäre auch genau der Partner, den Schröder braucht, nachdem ihm und seinen derzeitigen grünen Mitstreitern auch der letzte Rest von Kompetenz in Sachen Wirtschaft, Konjunktur und Arbeitsmarkt abhanden gekommen ist.

Die Zeit drängt: Irgendwann werden sich die Gemütsaufwallungen wegen Afghanistan und Terrorismus wieder legen, und dann wird der Kanzler seine vier Millionen Arbeitslosen nicht mehr mit einem lockeren „Dumm gelaufen“ abtun können. Aber er kann ja noch auf den Parteitag der Grünen hoffen: Vielleicht siegt bei den alternativen Polit-Clowns diesmal ja doch ideologische Prinzipienreiterei über Opportunismus und Machtgier.

Jedenfalls bliebe, sollte Rot-Grün an diesem Wochenende auseinanderfallen, ein übler Beigeschmack: Drei Jahre lang baut diese Koalition einen Mist nach dem anderen, und dann soll sie ausgerechnet daran scheitern, daß sie endlich einmal das Richtige getan hat?

 
     
     
 
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