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Mit 15 Parlamentsparteien, zahlreichen unabhängigen Abge-ordneten und einer Vielzahl von lokalen Gruppierungen ist die italienische Parteienlandschaft eine der am wenigsten überschaubaren in Europa. Man kann annehmen, daß "Konservative" einerseits in einer "Mitte-Rechts-Koalition" zu finden sein müßten, andererseits in der Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischer Demokraten im Europaparlament (EVP-ED).
Auf die einzige Partei, welche die Bezeichnung "konservativ" im besten Sinn des Wortes verdient, auf die Südtiroler Volkspartei (SVP), trifft aber keines von beiden zu. Als Sammelpartei der deutschen und ladinischen (rätoromanischen) Bürger Südtirols kämpft sie seit 1945 für die Bewahrung der kulturellen Eigenart dieses 1919 Italien zugeschlagenen Teils von Tirol. Die SVP hat zwar bei der EVP-ED Beobachterstatus und ist auch inhaltlich eine Mitte-Rechts-Partei. Politisch profitiert sie aber eher von Mitte-Links-Regierungen, denn das Autonomie-Statut Südtirols und die Schutzmachtfunktion Österreichs sind den italienischen Nationalisten ein Dorn im Auge.
In der derzeitigen Regierung sind vier Parteien vertreten, die das Bündnis "Casa delle Libertà" (Haus der Freiheiten) geschlossen haben: Die "Forza Italia" von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die "Alleanza Nazionale", die "Lega Nord" und die UDC, welche die aufgesplitterten Christdemokraten wieder vereinigt hat. "Forza Italia" und UDC gehören auch der EVP-ED an (zu der noch eine weitere Kleinpartei zählt, die nicht in der Regierung ist.)
Die "Forza Italia" - oft Firma Berlusconi genannt, weil viele Positionen mit Leuten aus dessen Firmenimperium besetzt sind - ist durch die Interessen des Parteiführers geprägt. Berlusconi ist ein neoliberaler Pragmatiker, der dort, wo es sich auszahlt, auch konservativ oder christlich auftritt. Dank seiner wirtschaftlichen Potenz und seiner Medienmacht hat er innerparteilich kaum Widersacher und versteht es auch sonst, Leute zu "motivieren".
Die Alleanza Nazionale ist aus den früheren Neofaschisten her-vorgegangen. Sind Faschisten konservativ? Im nationalen Sinn sicher, gesellschaftspolitisch aber sind sie eher sozialistisch - ihr Ahnherr Mussolini war ursprünglich sogar SP-Mitglied. Daß Parteichef Fini noch vor wenigen Jahren Mussolini als "größten Staatsmann der Geschichte" bezeichnete, doch als Vizepremier und Außenminister bei seinem Israel-Besuch 2003 den Faschismus "Verkörperung des Bösen" nannte, weist ihn ebenfalls als "Pragmatiker" aus.
Die "Lega Nord" ist eine Regional-partei, die ursprünglich eine Abspaltung Norditaliens ("Padaniens") anstrebte. Durch den Regierungseintritt 2001, vor allem aber durch die Erkrankung des Parteigründers und Volkstribuns Umberto Bossi 2004 ist dies zu einem völlig unrealistischen "Fernziel" geworden. Der wiedergenesene Bossi ist heute EU-Abgeordneter seiner Partei. Die "Lega" tritt gegen Einwanderung auf sowie - anders als Berlusconi - auch gegen den EU-Beitritt der Türkei.
Die konservativste der genannten Parteien ist die UDC, auch wenn sie sich aus recht unterschiedlichen Teilen zusammensetzt. Ihr international bekanntester Repräsentant ist der jetzige Kulturminister Rocco Butiglione, den die italienische Regierung als EU-Kommissar für Justiz nominiert hatte. Doch vergebens, denn mit christlich-konservativen Ansichten über Familie und Homosexualität ist man in Brüssel deplaziert. RGK
Herr der "Pragmatiker": Italiens Ministerpräsident Berlusconi liebt die Selbstdarstellung. |
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