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Wie allgemein in den Medien berichtet, hat Frankreichs Staatschef Jacques Chirac bei seinem traditionellen Fernsehinterview anläßlich des Nationalfeiertags der Franzosen am 14. Juli angekündigt, daß er voraussichtlich Ende kommenden Jahres sein Volk über den EU-Verfassung sentwurf abstimmen lassen wird.
Damit ist die Französische Republik in der EU der zehnte Mitgliedsstaat, der den Weg des Referendums gewählt hat. Die Polen werden mit ihrer für Anfang 2005 angesetzten Volksabstimmung die ersten sein und die Briten Ende 2006 die letzten. Da alle französischen Parteien einen Plebiszit vom Staatsoberhaupt gefordert hatten und er derzeit Sorgen mit seiner parlamentarischen Mehrheit hat, ist Chiracs Entscheidung nicht erstaunlich. Zudem ging der Präsident europapolitisch kein großes Risiko ein, da die vor seiner Entscheidung durchgeführten Meinungsumfrage des staatlichen Rundfunksenders France-Info zum Ergebnis hatte, daß bis zu 66 Prozent der Franzosen die EU-Verfassung billigen.
Das Referendum über die EU-Verfassung wird das zehnte in Frankreich seit 1958 sein. Fünf wurden unter de Gaulle, eins unter Pompidou und zwei unter Mitterrand abgehalten. Chirac hatte von seinem sozialistischen Regierungschef Lionel Jospin eine Volksabstimmung über die Verkürzung der Dauer der Amtszeit des Staatsoberhaupts akzeptieren müssen. Seit seinem Amtsantritt im Jahre 1995 hat Chirac in Fragen der Außenpolitik und der EU jedoch noch nie die Franzosen konsultiert. Vielleicht weil er sich 1992 von einem Maastricht-Kritiker zu einem Maastricht-Befürworter gewandelt hat, um dadurch die Stimmen der
Giscardisten bei der 1995er Präsidentschaftswahl erlangen zu können. Insofern wird die Volksabstimmung nächstes Jahr die einzige sein, in welcher er sich wirklich einsetzen wird. Chirac hat bei seinem Gespräch klargemacht, er wolle persönlich für das "ja" Kampagne machen.
In der politischen Klasse der Fünften Republik gibt es einen breiten Konsens von links bis rechts für den Verfassungsentwurf. Für ihn haben sich die Sozialisten Dominique Strauss-Kahn und Jacques Delors ebenso ausgesprochen wie die Konservativen Nicola Sarkozy und Valéry Giscard d Estaing. Die heikle Frage ist, ob die Sozialistische Partei geschlossen für die Verfassung stimmen wird, da rund ein Drittel ihrer militanten Mitglieder gegenwärtig für ein "nein" wäre. Mit der Opposition der Extreme muß Chirac allerdings rechnen. Beide Extreme sehen in der Verfassung eine Zwangsjacke, die entweder den Verlust der nationalen Unabhängigkeit mit sich zieht oder den Weg zu einem liberalen, unsozialen Bundesstaat ebnen wird. P. C.
Von oben herab: Chirac entschied sich, das Volk zu befragen.
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