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Erstaunlicherweise ist das Buch im Selbstverlag veröffentlicht worden, obwohl es in namhafte Verlage gepaßt und Furore gemacht hätte. Dafür garantiert allein schon der Stil Hans Bergners. Vom ersten bis zum letzten Wort spannt der Autor ein Netz trockener Ironie und profunden Humors über seine Lebensgeschichte, die - wie bei jedem Menschen - bittere Wegstrecken aufweist. Kann man tiefgründigen Humor lernen? In einer Diktat ur mit Sicherheit, sie bietet dazu hinlängliche Möglichkeiten. Eine Kostprobe: "Noch heute wundere ich mich, daß ich ohne Unterbrechung an der sozialistischen Humboldt-Universität zu Berlin als wissenschaftlicher Assistent, Oberassistent und ab 1964 als Professor tätig war. So gibt meine Autobiographie einen kleinen Einblick in ein Stück DDR-Geschichte, die sich zwischen einer großen Universität und einem parteilosen Professor im Spannungsfeld der sich umgestaltenden DDR-Landwirtschaft abspielte." Zweite Kostprobe: Hans Bergner wird von einem Mitglied des SED-Politbüros gefragt: "Wat haste denn gegen uns?" Bergners Antwort: "Nischt, ich glaube an den lieben Gott." Im Nationalsozialismus, so auch im "real existierenden DDR-Sozialismus" war Parteilosigkeit unter gewissen Voraussetzungen möglich. Schließlich brauchen Parteidiktaturen nicht nur Parteigenossen, sie brauchen auch Köpfe.
Geboren wurde Bergner - wie er selbst bekundet - als "Aprilscherz" am 1. April 1930 im ostdeutschen Eromeiten unweit von Tilsit. Er wuchs auf dem elterlichen Bauernhof heran. Im Januar 1945 begann die Massenflucht aus Ostdeutschland vor den heranrückenden Russen. Die Bergners erreichten Mecklenburg. Sie erlebten die amerikanische Besatzung, dann die russische und am 1. Oktober 1949 die Gründung des Staatswesens DDR.
Hans Bergners detaillierte Schilderung seiner Jahre als DDR-Bürger besticht durch Neutralität. Ob Beginn des Mauerbaus 1963 in Berlin, "Prager Frühling" und Einmarsch der Russen in die Tschechoslowakei, das Ende der DDR und die Wiedervereinigung - all das fächert der Autor dem Leser auf. Ein Buch, das jeder kennen sollte.
Akribisch und selbstverständlich mit dem DDR-Politsystem verknüpft, schildert Bergner seinen Werdegang vom Landwirtschaftsstudenten bis zum international anerkannten, mit hohen Auszeichnungen gewürdigten Wissenschaftler der Tierernährung und Veterinärmedizin.
Am 29. September 1994 begann für Hans Bergner der Ruhestand, aber nicht die Ruhe. Er schrieb das vorliegende Buch und wird - hoffentlich - weiterschreiben.
Hans Bergner: "Vom ostdeutschen Bauernsohn zum Professor an der Humboldt-Universität", BoD, Norderstedt 2003, 460 Seiten, Abb., 33,80 Euro
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