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Burgfrieden

 
     
 
Die bürgerlichen Parteien in Frankreich waren nur selten einig. Es herrscht die klassische Häuptlingssituation, jeder Politiker, der etwas auf sich hält, fühlt sich auch zum "Führer der Nation" berufen. Aber die Bürgerlichen haben aus der Zerstrittenheit der letzten Jahrzehnte und den entsprechenden Erfolgen der Linken gelernt. Wenn es darauf ankommt, dann begräbt man erst mal das Kriegsbeil.

So auch jetzt: Zwar wird erst in anderthalb Jahren ein neuer Präsident und dann auch ein neues Parlament gewählt, aber wer dabei eine gute Figur machen will, der muß schon jetzt Größe zeigen. Und das heißt auch in der französischen Politik: Vergeben, nicht vergessen. Präsident Jacques Chirac
machte den Anfang. Er ernannte seinen Widersacher im eigenen Lager, Nicolas Sarkozy, wieder zum Innenminister. Zuvor hatte er ihn gezwungen, sich entweder für die Führung der Regierungspartei UMP (Union pour un Mouvement Populaire) oder für das Ministeramt zu entscheiden.

Sarkozy gehorchte und trat aus der Regierung aus. Aber er besetzte nach wie vor die medialen Bühnen und seine Popularität erklomm ungeahnte Höhen. Nachdem schon Chirac am 14. Juli im großen Sommerinterview zum Nationalfeiertag die Qualitäten seines Rivalen gelobt und sich darüber erfreut gezeigt hatte, daß er ins Kabinett zu- rückkehrte, zog Sarkozy nach und äußerte sich respektvoll über seinen Präsidenten. Immerhin hat Sarkozy, nach einer kleinen Pause von einem halben Jahr, erreicht, was er wollte: Der ehrgeizige Politiker blieb Vorsitzender der Regierungspartei und behält auch sein Ministeramt, sogar als Nummer zwei in der Regierung. Das ist ein Burgfrieden mit dem Elysée schon wert.

Derzeit muß das bürgerliche Lager die linke Opposition kaum fürchten. Die Sozialisten sind heillos zerstritten und ohne wirkliche Führungskraft. Die Linke splittert sich auf. Aber die Gefahr dieser Situation liegt darin, daß die Bürgerlichen siegesgewiß mit sich selber streiten - bürgerliche Parteien und Gruppierungen gibt es genug - und vom Protest der Wähler abgestraft werden. Das umso mehr, als die Politik in den romanischen Ländern traditionell stärker personalisiert ist als in Deutschland.

Das Land erwartet nahezu den Zweikampf Sarkozy/Chirac und als lachenden Dritten den jetzigen Premierminister Dominique de Villepin. Der kann es sich auch leisten, teilweise die Politik der Linken fortzusetzen, etwa 150.000 neue Lehrkräfte einzustellen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu entschärfen. Solche Maßnahmen sind freilich in einem zentralistischen Staat gut möglich. Es gibt keine starken Regional- oder Landesfürsten wie in Deutschland, die der Parteiführung in die Parade fahren. Die große Politik wird nach wie vor in Paris entschieden - und vom Wählern, der gern dem gallisch-revolutionären Impetus folgt und allzu großspurige Häuptlinge gern in die Schranken weist. Martine Le Noxaic
 
     
     
 
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