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Ende Juni fand in Berlin eine Außerordentliche Tagung des 8. Parteitages der PDS statt. Ein neuer Bundesvorstand wurde gewählt. Eine Fülle von Absichtserklärungen wurde abgegeben; vielerlei Pläne wurden verkündet, mit dem Ziel eines "spürbaren Wiedereinstiegs in die Politik", eines "sichtbaren Hinwendens zu den Menschen und ihren Problemen" und eines "deutlichen Hineinbegebens in die Gesellschaft". Der stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende Diether Dehm, und der PDS-Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch, zwei ehemalige SPD-Funktionäre, gehören dem Bundesvorstand nicht mehr an.
Nur wenige Tage nach diesem "Neustart" gab der SPD-Genosse Horst Peter, von 1980 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages, Aktivist in der Gemeinschaft von SPD-Linken "Forum Demokratische Linke 21 " und Mitherausgeber der Zeitung SPW - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft, auf einer halben Druckseite der PDS-Zeitung Neues Deutschland seinen Sorgen und seinen Ratschlägen an die in Turbulenzen geratene und mühevoll nach neuen Orientierungen suchenden SED-Nachfolgerin Ausdruck. Der Rat des SPD-Mannes lautet: Damit aus dem politischen "Neustart" der PDS kein Fehlstart wird, solle sich die PDS stärker mit dem Praktizieren einer Doppelstrategie beschäftigen, als sich von Regierung und anderen Parteien die Tagesordnung vorgeben zu lassen. Peter wünscht der PDS, daß es ihr gelingen möge, die vom Außerordentlichen Parteitag und von neuem Vorstand angekündigte Doppelstrategie "zwischen gesellschaftlicher Opposition und demokratisch gestaltender Reformkraft" zu entwickeln. Die PDS sollte, gibt der PDS-"Ratgeber" zu bedenken, auch nicht einen "gesamtdeutschen, wenn nicht europäischen Anspruch" außer acht lassen. Wenn es nach dem SPD-Genossen Peter (und seiner politischen Freunde in der SPD?) ginge, sollte es der PDS gelingen, ein "arbeitsteiliger Bestandteil einer gesellschaftlichen Linken sogar im internationalen Zusammenhang" zu sein. Peter ist überzeugt, daß es für eine Partei, die auf ein "zeitgemäßes, sozialistisches, konsequent demokratisches, ökologisches und auf das Eingreifen in reale politische Auseinandersetzungen gerichtetes neues Programm" setzen will, durchaus Platz in Deutschland gibt - als Bestandteil eines sozialistischen Linkskartells. Der SPD-Linken, in der das "Forum Demokratische Linke 21" (DL 21) eine wichtige Rolle spielt, käme eine solche Entwicklung gewiß nicht ungelegen. Der in Berlin als Vorsitzender gewählte Lothar Bisky verkündete, daß die PDS bis Ende September ihre Strategie für Politik und Entwick-lung der PDS 2004 (Europawahl) bis 2006 ("Wiedereinzug einer sozialistischen Fraktion in den Bundestag") vorlegen will. Dieses "Projekt 04-06" soll weit über die Wahlerfordernisse hinausgehen und auf die "Bestimmung und Sicherung des Platzes der PDS in der Gesellschaft und im deutschen Parteiensystem" gerichtet sein. Zu diesem Zweck soll in Kürze eine Strategiegruppe "PDS plus" berufen werden, für die Bisky unter anderem die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau, den Bundesgeschäftsführer Kutzmutz, "aber auch parteilose Intellektuelle" gewinnen möchte.
Zur beabsichtigten weiten "Öffnung" der PDS und die Fortentwicklung ihrer Fähigkeit zu Aktionsbündnissen und Koalitionen (insbesondere mit der SPD) soll ihre Bündnispolitik nicht nur verstärkt, sondern qualitativ verbessert werden. Die neue Führung verlangt von der Partei mehr Disziplin, mehr Bereitschaft zur Diskussion, mehr Offenheit und Toleranz, und insgesamt mehr Beweglichkeit. Sozialistische Positionen sind dabei selbstverständlich unverzichtbar. In dem von über 90 Prozent der Parteitagsdelegierten angenommenen Hauptbeschluß steht unter der Überschrift "Kluge Lösungen sind kein Privileg einer Partei" geschrieben:
"Wir wollen die breiteste Diskussion, Meinungsbildung und Entschließung ... Wir wenden uns an die Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, an die globalisierungskritischen Bewegungen, die kritischen Intellektuellen unseres Landes, an die anderen Parteien". Die SPD-Linke, Teile der DGB-Gewerkschaften, außerparlamentarische "Bewegungen" aller Art werden derartige Ankündigungen der SED-Nachfolgerin mit Wohlgefallen zur Kenntnis nehmen. Sollte der "Neustart" mißlingen, wird die PDS bestimmt zerbröseln und viele PDS-Genossen könnten der Parole folgen: Genossen, verstärkt den linken Flügel der SPD!
Aufbruchstimmung: Der neu gewählte PDS-Bundesvorsitzende Lothar Bisky (r) verfolgte auf dem PDS-Sonderparteitag in Berlin - nachdenklich vor dem früheren Parteichef Gregor Gysi sitzend - die Aussprache der Delegierten. Mit der Neuwahl der PDS-Parteispitze sollen die Weichen für einen personellen und inhaltlichen Neuanfang gestellt werden. |
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