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Ein betörender Duft zieht durch die Luft, süßlich und doch frisch, an Honig erinnernd. Leuchtend gelbe Rapsfelder säumen den Weg. Fast bis an den Horizont reichen sie, nur unterbrochen von kleinen Wäldchen oder Knicks. Im frühsommerlichen Sonnenlicht strahlt das Gelb noch intensiver als sonst. Die Augen schmerzen, man will sie schließen, doch muß man sich auf den Straßenverkehr konzentrieren, schließlich will man heil in Berlin ankommen. Die Rapsfelder wechseln sich mit den für diesen Landstrich so typischen Kiefernwäldern ab. Sandige Wege sind entlang der Straße zu erkennen, Wege, die auch Theodor Fontane einst gegangen sein mag auf seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ortsnamen wie Neuruppin, Fehrbellin oder Rheinsberg, die auf Wegweisern im Vorüberfahren zu entdecken sind, stimmen ein auf Preußen.
Endlich Berlin. In der Stadt steppt wie immer der Bär. Es ist viel los. Baustellen auf der Achse Heerstraße - Straße des 17. Juni - Unter den Linden, natürlich auch Autokolonnen, Ströme von Touristen. Das alles scheint den großen Friedrich nicht zu erschüttern; er sitzt erhobenen Hauptes auf seinem Roß und blickt - preußisch korrekt - in Richtung Humboldt-Universität, derweil auf der anderen Seite viel nackte Haut auf einem überdimensional großen Plakat für ein schwedisches Modeunternehmen wirbt.
Preußen pur gilt es an diesem vorletzten Wochenende im Mai in den Messehallen am Funkturm und in der Deutschlandhalle zu erleben. Schon früh sind die Hallen 2 und 4 belebt. Aus allen Himmelsrichtungen sind sie gekommen, um alte Freunde zu treffen, Erinnerungen auszutauschen. Große Schilder über den langgestreckten Tischen weisen auf die Herkunftsorte hin; nicht bei allen sind die Plätze belegt. Die Zeit hat ihre Lücken gerissen. Und doch ist ein Summen und Brummen in der Luft, das entsteht, wenn viele Menschen in einem Raum gleichzeitig reden.
Nicht sehr viel ruhiger geht s in Halle 4 zu, dort wo die Ausstellungen und Verkaufsstände zu finden sind. Preußen pur auch hier. Am Stand der Freiheits-Depesche sind Redakteure bemüht, auf alle Fragen der Leser Antworten zu finden. Selbst die "große alte Dame" der Redaktion, Werner Müller, hat es sich nicht nehmen lassen, nach Berlin zu kommen. Sie beantwortet die unterschiedlichsten Fragen der Ostdeutschen Familie und weiß Rat in (fast) allen Lebenslagen.
Viele Meter Bücher sind im Blick zu haben. Wo liegt der gewünschte Titel? Ist genügend Wechselgeld da? Der genaue Beobachter fragt sich im stillen, wer wohl mehr ins Schwitzen (pardon, meine Damen) kommt - die Mitarbeiterinnen "Bekommen Sie eigentlich Kilometergeld, soviel wie Sie hin- und herlaufen müssen?" Auch dort Fragen über Fragen, aber auch Anregungen. Mit einem Lächeln wird so manches Problem schnell aus der Welt geschafft.
Da haben es die Mitarbeiterinnen am Info-Stand am Eingang Süd schon etwas schwieriger. Immer wieder müssen sie Suchmeldungen durchsagen, Verbindungen herstellen zwischen Landsleuten, die sich verpaßt haben. Aber es werden auch verlorene Kameras oder Schirme abgegeben. Die müssen erst einmal sorgsam verwahrt werden, bis der Eigentümer sich meldet. Eine vermißte Ehefrau und sogar ein Portemonnaie mit persönlichen Papieren finden sich schließlich wieder ein.
Auch im Orga-Büro, ganz am Ende der Halle 4 gelegen, und eigentlich ein Ort der Konzentration und Ruhe, ist hin und wieder der Bär los. Warum auch nicht, schließlich ist man ja in der Stadt, die Meister Petz im Wappen trägt. Auch hier immer wieder Fragen, die einen aus dem Konzept bringen können: Wo ist das Klo? Gibt s hier einen Geldautomaten? Wann fährt die nächste S-Bahn? Nicht immer kann da geholfen werden. Doch die Damen aus der Mitte sind auch zu späterer Stunde noch guten Mutes.
Überhaupt war dieses Deutschlandtreffen der Ostdeutschland ein Treffen, das von einer Heiterkeit geprägt war, wie man sie sonst selten auf derartigen Veranstaltungen angetroffen hat. Anna S. aus Insterburg: "Ich habe schon so viele Treffen mitgemacht. Ich war in Köln, in Düsseldorf und auch in Leipzig dabei, aber in Berlin, das war besonders schön. Vielen Dank!"
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