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Rembrandt, der Star unter den Niederländern, der alles Übertreffende, das Genie mit Pinsel und Leinwand - ob er es sich je hätte träumen lassen, daß er 400 Jahre nach seiner Geburt noch derart hoch geschätzt würde. Museen, die seine Werke besitzen, können sich glücklich schätzen, wenn es auch im Laufe der Zeit immer weniger geworden sind. Direktoren der bedeutendsten Häuser bekommen kalte Füße, wenn ein Rembrandt-Forscher wie etwa Ernst van de Wetering ein Museum besucht, denn oft stellt sich heraus, daß ein Hauptwerk nicht echt ist. Als vor 20 Jahren der "Mann mit Goldhelm" in der Berliner Gemäldegalerie "nur" als eine Arbeit aus dem Umkreis von Rembrandt entlarvt wurde, schlugen die Wogen hoch. Doch ist das Bild damit weniger eindrucksvoll? Die Staatlichen Museen Kassel machen derzeit aus der Not eine Tugend. In der Ausstellung "34 Gemälde ,Rembrandts in Kassel!" wird die historische Sammlung von Landgraf Wil-helm VIII. gezeigt. Die ab 1749 angelegte Kollektion wurde durch den Kunstraub unter Napoleon und Jérôme zwar ausgedünnt, und einige der Rembrandt zugeschriebenen Bilder sieht die Kunstwissenschaft heute als Arbeiten seiner Schüler. Dennoch besitzt Kassel heute noch zwölf Originale und damit eine der umfangreichsten Sammlungen von Rembrandt-Gemälden innerhalb Deutschlands, die sie nun zusammen mit den ehemaligen "Rembrandts" zeigt.
Der Frage echt oder nicht echt geht auch eine Ausstellung in Berlin auf den Grund. Im Kulturforum am Potsdamer Platz werden rund 70 Gemälde gezeigt, die sowohl vom Meister selbst als auch von seinen Schülern stammen. Der Meister hatte seinen Lehrlingen und Werkstattmitarbeitern Prototypen als Vorlage zur Verfügung gestellt. Neue Erkenntnisse der Rembrandt-Forschung werfen nun ein neues Licht auf den bedeutenden Maler als schöpferisches Genie, aber auch als treibende Kraft einer äußerst produktiven Werkstatt. Parallel zeigt das Kupferstichkabinett die beiden Ausstellungen "Rembrandt. Ein Virtuose der Druckgraphik" und "Rembrandt. Der Zeichner" und präsentiert so den weltberühmten Berliner Bestand der Zeichnungen und Radierkunst des Niederländers.
Hier Rembrandt, das Genie, da Rembrandt, der Geschäftsmann. Der Schweizer Theologe und Schriftsteller Walter Nigg (1903-1988) hat den Künstler aus christlicher Sicht betrachtet. In seiner 1951 in dem Band "Maler des Ewigen I: Meditationen über religiöse Kunst" erschienenen Studie über Rembrandt (jetzt als biographischer Essay bei Diogenes herausgekommen: Rembrandt. Maler des Ewigen, 142 Seiten, 27 sw Abb., gebunden, 19,90 Euro) sieht er den Menschen und auch den Mann mit dem Blick für das Wesentliche. "Wer ihm nahekommen will, darf seine Kunst nicht als bloße Vergoldung des Daseins betrachten, was auf eine naive Täuschung hinausläuft. Die Wirklichkeit in neuer Weise zu deuten, war Rembrandt bestrebt. Nicht das Schöne im klassizistischen Sinn wollte er neben das Dasein stellen, sondern das Geheimnis des Lebens ergründen ... Rembrandt war kein Bekenntnischrist, der dogmatische Begriffe formulierte ... Er war ein Mensch, der bis in die letzte Faser seines Wesens von religiösem Empfinden angefüllt war. Wie kaum ein anderer Maler hat er das ewige Geheimnis in allen Dingen gespürt, führt er doch den Menschen beständig an die Grenze und bricht bei ihm immer wieder das Übernatürliche durch."
Peter van Lohuizen
Staatliche Museen Kassel, Schloß Wilhelmshöhe, Gemäldegalerie Alte Meister, "34 Gemälde ,Rembrandts in Kassel!", dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, Eintritt 3,50 / 2,50 Euro, bis 20. August.
Kulturforum Potsdamer Platz, Sonderausstellungsraum unten, "Rembrandt. Genie auf der Suche", dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr, Eintritt 8 / 4 Euro, 4. August bis 5. November.
Rembrandt: Selbstbildnis mit aufgerissenen Augen (1630) |
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