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Nach dem Kahlschlag

 
     
 
Die offizielle Beschäftigung Deutschlands mit dem eigenen Erbe im Osten und den Nachbarn Polen, Tschechien, Ungarn usw. ist zum kulturpolitischen Schlachtfeld geworden.

Seit der Neukonzeption der Kulturförderung nach § 96 des Bundesvertriebenenförderungsgesetzes durch den Ex-Bundeskulturbeauftragten Naumann im Jahre 1999 wurden vielfältige Schritte unternommen, um die Aufgabenfelder zu zentralisieren bzw. den Einfluß der Vertriebenenverbände und Freundeskreisen zu verringern.

Wie rigoros die rot-grün
e Regierung vorgeht, hat erst kürzlich der Versuch gezeigt, die Pommersche Freundeskreis aus der Trägerschaft der Ostsee-Akademie in Travemünde hinauszudrängen. Als dies mißlang, entzogen der Bund und Schleswig-Holstein der Tagungsstätte die Gelder. Eine ähnliche "De-facto-Enteignung" soll es mit der Verlegung des Siebenbürgischen Kulturzentrums von Gundelsheim nach Ulm geben. Weitere Beispiele unsinniger Kahlschlagspolitik ließen sich hinzufügen.

Dennoch sollte man aus Sicht der Freundeskreisen nicht alles, was sich im Zuge der Umstrukturierungen verändert, von vornherein kategorisch ablehnen. Dies gilt etwa für das "Deutsche Kulturforum östliches Europa" in Potsdam.

Diesem kommt als ergänzende Vermittlungsinstitution zum bereits 1989 gegründeten Oldenburger "Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa" (bis vor kurzem hieß es noch "Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte"!) eine Schlüsselfunktion zu.

Die Aufwertung Potsdams als Standort der Preußen- und Ostmitteleuropaforschung ist sicherlich begrüßenswert. Neben der am 18. August bevorstehenden Eröffnung des "Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte" sowie dem genannten Kulturforum entsteht in der Landeshauptstadt ein vom Bund gestifteter Lehrstuhl zur Neueren Geschichte mit dem Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte im östlichen Europa.

Ins Leben gerufen wurde das "Deutsche Kulturforum östliches Europa" als gemeinnütziger Verein am 19. Dezember letzten Jahres. Am 1. März bezog der sechsköpfige Aufbaustab unter Leitung der Slawistin Dr. Hanna Nogossek die Diensträume im Kabinetthaus am Neuen Markt. Finanziert wird das Projekt allein aus den Töpfen des Bundeskulturbeauftragten, und verwaltungstechnisch steht ihm fürs erste das Moses-Mendelssohn- Zentrum unter Leitung von Professor Julius H. Schoeps zur Seite.

In der Selbstdarstellung des Forums heißt es: "Die Kulturtraditionen der historischen deutschen Ostgebiete und der Siedlungsgebiete der Deutschen in Ostmittel-, Nordost-, Ost- und Südosteuropa werden zunehmend in unseren Nachbarstaaten als gemeinsames Kulturerbe verstanden. Sie können als Fundament für partnerschaftliche und gute Beziehungen in Gegenwart und Zukunft dienen.

(...) Das Deutsche Kulturforum östliches Europa stellt sich die Aufgabe, deutscher und gemeinsamer Kultur und Geschichte (...) geeignete Foren zu bieten, in denen Institutionen, Wissenschaftler, Studenten, Schüler und allgemein an Kultur Interessierte zusammenwirken können. Die zentralen Arbeitsfelder sind Geistesgeschichte, Literatur, Musik und Bildende Kunst, wobei die Schwerpunkte beim 19. und 20. Jahrhundert sowie der Gegenwartskultur liegen. (...) Die Vermittlung von Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung der einschlägigen Institute in Deutschland und den Nachbarstaaten kann als Hauptauftrag formuliert werden."

Zu diesem Zweck sollen vorhandene und neu zu schaffende Druckmedien ebenso genutzt werden wie das Internet; man will Tagungen, Diskussionen, Lesungen und Sommerakademien veranstalten, Preise und Stipendien verleihen, Literaturübersetzungen fördern und Ausstellungen organisieren.

Seit diesem Monat laufen nun die ersten Vorhaben an, und zwar mit einem vielversprechenden Schwerpunkt: Im "Preußenjahr" sollen sich Ausstellungen und Vorträge der Geschichte, Kultur und Kunst in Ost- und Westpreußen widmen.

Ende 2001 wird man dann ein erstes Urteil darüber fällen können, inwieweit die neue Einrichtung ihrem selbstgestellten Auftrag gerecht wird, den sie auf der Startseite ihres – noch unfertigen – Internet-auftritts mit einem Schopenhauer-Zitat umreißt: "Erst durch die Geschichte wird ein Volk sich seiner selbst vollständig bewußt."

Deutsches Kulturforum östliches Europa, Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam, Tel.: 0331/20098-0, www.kulturforum-ome.de 

Ausstellungen (Bahnhofspassagen):

– 11.8.-9.9.: "Polen, Deutsche und Kaschuben. Alltag, Brauchtum und Volkskultur auf dem Gut Hochpaleschken in Westpreußen um 1900" (Eröffnung am 10.8., 18 Uhr: Vortrag von Dr. Witold Stankowski/Bromberg)

– 14.9.-Mitte Oktober: "Spuren und Zeichen": graphische Collagen des in Königsberg lebenden russischen Künstlers Igor Isajew, in denen er sich mit Fundstücken und Relikten der Stadt aus der Vorkriegszeit befaßt

– 20.10.-Mitte November: "Atlantis des Norden": Fotos zwischen 1864 und 1944 über die Kulturlandschaft des zerstörten Preußens; zusammengestellt vom Institut der Kunst an der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau und dem Büro für Kunstausstellungen in Allenstein

Vorträge (Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9; Beginn: 20 Uhr):

– 30.8.: "Politik, Militär, Kultur – Das Janusgesicht Preußens zwischen Ost und West" von Dr. Frank-Lothar Kroll

– 27.9.: "‚Mit einem räsonierenden Preußen unterwegs in Europa‘ Über Leben und Schreiben des Joachim Christian Friedrich Schulz (1762-98)" von Dr. Horst Lambrecht

– 25.10.: "Zeugnis vom Untergang Königsbergs. Ein ‚Geltungsjude‘ berichtet": Vortrag von Michael Wieck

– 22.11.: "Das Hirschberger Tal und die Sommerschlösser der Hohenzollern" von Angelika Marsch

Veranstaltungen (Uni, Gymnasien, Nikolaikirche, Altes Rathaus):

17.-21.10: Reihe "‚Preußens vergessene Hälfte‘. Ostdeutschland – Renaissance einer Kulturregion"

 
     
     
 
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