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Es gibt viele gute Gründe, ins Brandenburgische zu reisen. Erst recht ab dem 21. April, wenn in Potsdam die Bundesgartenschau eröffnet wird. Nicht nur für dieses bis 7. Oktober andauernde Großereignis und fürs laufende "Preußenjahr" hat sich Potsdam herausgeputzt. Die mehrjährige städtebauliche Stag-nation, die man nach der Wiedervereinigung beobachten konnte und die ihre Ursachen in den besonders komplizierten Eigentumsverhältnissen (ein erheblicher Teil der von preußischer Beamte nschaft, Militär und Adel geprägten einstigen Bevölkerung war nach Kriegsende vor den Kommunisten geflüchtet) und der Unfähigkeit der SPD-geführten Kommunalverwaltung hatte, wich einer leisen Aufbruchsstimmung.
Große Anstrengungen wurden unternommen, um das historische Ortsbild aufzupolieren und schmerzhafte Nachkriegssünden so weit wie möglich gutzumachen. Nicht nur das Holländische Viertel erstrahlt wieder in altem Glanz. Auch neuerlich freigelegte Abschnitte des Stadtkanals, der in den 1960er Jahren von den roten Kulturbanausen zugeschüttet worden war, sowie Teile des Lustgartens geben der preußischen Residenz etwas von der einmaligen Atmosphäre der Vorkriegszeit zurück.
Besucher der betont dezentral konzipierten 26. Bundesgartenschau (BUGA) sollten neben dem eigens aus einem früheren Militärgelände hervorgezaubten Park im Bornstedter Feld (40 000 qm Freiland und 5000 qm Ausstellungsfläche in der Halle) selbstverständlich auch die bekannten Sehenswürdigkeiten der Parkanlagen von Sanssouci und Schloß Babelsberg und die neuen Grünanlagen im Stadtzentrum in Augenschein nehmen.
Ab 18. August lädt darüber hinaus ein "Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte" zu historischen Spaziergängen ein. Seinen Platz findet es im frisch renovierten ehemaligen königlichen Kutschstall am Neuen Markt. Zu DDR-Zeiten war der prächtige Gewölbebau als Gemüse- und Kartoffellager mißbraucht worden.
Potsdams Bürgermeister Platzeck und der brandenburgische Ministerpräsident Stolpe verliehen ihrer Hoffnung Ausdruck, daß das Museum einen "Abbau von Befangenheit" gegenüber dem 1947 auf Befehl der Alliierten aufgelösten Preußen zur Folge hat. Darüber hinaus setzen sie darauf, daß das eher durch Zufall vom verheerenden britischen Bombenangriff am 14. April 1945 verschonte und heute abseits der Hauptbesucherströme gelegene Areal um den Kutschstall dank des neuen Anziehungspunktes stärker belebt wird.
Besonders erfreulich ist es, daß sich die Stadtverordneten nach zehnjährigem, teilweise heftigen Streit im Frühling 2000 gegen den Protest der PDS endlich zum Wiederaufbau des Stadtschlosses entschieden. Dieses war bis 1751 nach Plänen des Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff als zweiter Amtssitz der preußischen Könige errichtet worden und brannte infolge des Bombenangriffs vom April 1945 aus.
Obwohl durchaus restaurierbar, ließ DDR-Staatschef Walter Ulbricht das Barockschloß 1959 gegen massiven Widerstand aus der Bevölkerung sprengen. Bis der rund 600 Millionen Mark teure Neubau mit historischer Fassade fertiggestellt ist, werden nach Meinung des entschiedenen Schloß-befürworters Platzeck schätzungsweise 15 Jahre vergehen.
Vielleicht noch symbolträchtiger ist die Potsdamer Garnisonkirche, deren Wiedererrichtung ebenfalls grundsätzlich beschlossene Sache ist. Aus ideologischen Gründen hatten die Kommunisten auch hier von einem möglichen Aufbau der durch Bomben schwer beschädigten Kirche der preußischen Könige abgesehen und die Ruinen statt dessen 1968 schleifen lassen.
Nachhaltig in Verruf geriet das schlichte Gotteshaus durch den dort zelebrierten "Tag von Potsdam" am 21. März 1933. Damals hatten das "neue" nationalsozialistische Deutsche Reich personifiziert durch Hitler und das "alte" preußisch-konservative Deutschland vertreten durch Reichspräsident von Hindenburg öffentlichkeitswirksam ihre (vermeintliche) Einheit zur Schau gestellt.
Die "historische Last" wiegt in den Augen mancher Zeitgenossen und Potsdamer Lokalpolitiker derart schwer, daß sie sich gegen den dank der Spendensammlung der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel e. V. möglichen Wiederaufbau wandten. Und dies, obwohl gerade die preußischen Traditionen und deren wichtigste Träger allen voran die Männer des 20. Juli 1944 in krassem Widerspruch zum NS-System standen.
Sollten in zwei Jahrzehnten alle begonnenen und geplanten Restaurierungsarbeiten erfolgreich beendet sein, wird man Moeller van den Brucks Charakterisierung des einstigen Potsdams, wie er sie in "Der preußische Stil" festhielt, sicherlich besser nachvollziehen können: "Potsdam ist fritzisch. Die Seele dieser Stadt ist die Seele Friedrichs des Großen: was unsterblich an seiner Wesenheit war, das blieb in ihr räumlich als Vermächtnis zurück. Es ist eine widerspruchsvolle Seele: eine, die ganz eindeutig zu sein scheint, aufgeschlagen, ehrlich, eben und knapp, wie das Leben der braven Biederbürger, alten Hofbeamten, Soldaten, Diener, die in den kleinen Reihenhäusern der stillen Stadtteile wohnen und eine, die wissend wie Kavaliere oder Philosophen ist, lächelnd wie der Blick der kalten, glatten, schönen halbleibigen Sphinxdamen, die überall geschmeidig liegen, an der Treppenrampe des Stadtschlosses, auf der marmornen Brüstung des Stadtobelisken und an den Wegkreuzungen im archerontischen Park, wo einst der König, der als Skeptiker das Leben zu schmücken liebte, mit seinen Helden, aber auch mit Spöttern und Hunden spazierte.
Es ist eine strenge und nüchterne und ist eine anmutige und geistvolle Stadt, voll Selbstzucht und doch voll Lebensverliebtheit in allen diesen Gegensätzen durch die Einheit einer Stimmung verbunden, die (...) das Beispiel einer Schönheit gibt, die das Geheimnis von Potsdam ist: durch Einfachheit vornehm zu wirken."
Näheres zur BUGA erfährt man beim Service-Zentrum, Tel.: 01805-777550 sowie unter www.bugapotsdam2001.de; auch zum brandenburgischen Kulturprogramm im "Preußenjahr" gibt es eine eigene Internet-Seite: www.preussen-2001.de |
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