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Volker Frobarth analysiert in seinem Buch die Entwicklung des Königsberger Gebietes nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt seiner von der Fried-rich-Naumann-Stiftung geförderten Arbeit stehen die Fragen nach der Rolle, die das Königsberger Gebiet in der Politik der Sowjetunion gespielt hat, und wie beziehungsweise ob die Rolle, die die Sowjetunion dem Gebiet zuwies, sich im Betrachtungszeitraum geändert hat.
Aufgrund der Nachrichtensperre, unter der das militärische Sperrgebiet „Kaliningradskaja oblast“ bis zur Öffnung stand, ist wissenschaftliche Literat ur äußerst spärlich vorhanden. Frobarths Ausführungen stützen sich zum großen Teil auf russisches Aktenmaterial - von Stalins Handakte bis hin zu sonstigen „Spezial-Fonds“ - aus Archiven in Königsberg und Moskau. Das Quellenmaterial ist fast ausschließlich in russischer Sprache. Betrachtet werden streng geheime Dokumente über die Lage in Königsberg im April 1945 von Generalleutnant Zelin an General Berija (NKWD) bis hin zu Tabellen bezüglich des genauen Verlaufs der Eingliederung auf den verschiedenen Ebenen ins sowjetische System.
Im Anhang befindet sich eine Zusammenstellung von Basisinformationen, welche thematisch von den politischen Funktionsträgern Königsbergs und des Königsberger Gebietes über den Vorgang der Umbenennung bis zum Aufbau der administrativen Un-tergliederungen reichen.
Frobarth gelangt zu dem Schluß, daß „die Funktion, welche das Königsberger Gebiet in der Sowjetunion zu erfüllen hatte, in den Motiven der Einforderung und Inkorporation in die R[ussische] S[ozialistische] F[öderative] S[owjet-]R[epublik] der Sowjet-union begründet liegt. Es diente nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie der Beherrschung des neuen sowjetischen Machtbereichs in Mitteleuropa, vor allem in bezug auf die baltischen Staaten und Polen.“ Zusätzlich habe es die ständige propagandistische Manifestation des Sieges über Deutschland dargestellt und sei innerhalb der Sowjetunion als ein Element zur Rechtfertigung der totalitären Diktatur durch außenpolitische Erfolge genutzt worden. Von der Sowjetunion nach außen vorgebrachte Argumente - eisfreier Hafen oder regionale wirtschaftliche Bedeutung - seien ohne Bedeutung gewesen.
Das Buch ist besonders lesenswert, da es den Ursprung der Probleme der gesamten Region erklärt - vor allem angesichts der EU-Osterweiterung und des möglichen Nato-Beitritts der baltischen Staaten - und so auch dem Laien viele Hintergrundinformationen und hiermit verbunden eine gute Grundlage für Diskussionsgespräche über die Zukunft des Königsberger Gebiets bietet. Vorschläge und Anstöße zur Gestaltung des Gebiets können jedoch so viele kommen wie wollen, ohne einen entsprechenden Gestaltungswillen in Moskau wird sich kein Wandel zum Positiven durchführen lassen. Nanette Kaiser
Frobarth, Volker: Das Königsberger Gebiet in der Politik der Sowjetunion 1945-1990 - Mit einer analytischen Betrachtung des Kaliningrader Gebiets in der Politik Rußlands 1991-2000, 2001. 297 Seiten, kart., 68,00 DM, ISBN 3-8305-0226-5.
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