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Das Wüten der Faschisten

 
     
 
Ein in Ruhestand lebender Historiker staunte, als er, bei einem Besuch der vorpommerschen Stadt Anklam an einer Führung teilnehmend, vom Fremdenführer erfuhr, Anklam sei in den letzten April-Tagen 1945 von deutschen Kampfflugzeugen zerstört worden. Auch andere Personen der Touristengruppe konnten sich diese Auskunft nicht erklären, gab es doch an jenem 29. April 1945, also eine Woche vor der Kapitulation der Wehrmacht, keine funktionierende deutsche Luftwaffe
mehr. Und worin sollte auch der Sinn einer solchen Zerstörung gelegen haben, galt es doch in jenen Tagen nur noch, den Vormarsch der Sowjetarmee zu verzögern, um möglichst vielen Deutschen die Flucht in den Westen zu sichern.

Einer aus der Besuchergruppe blieb mit dem Fremdenführer in Verbindung und bat ihn um Belege für seine Behauptung. Der Fremdenführer blieb zäh bei seiner Darstellung und legte vor, was für ihn Dokumente waren. Da gab es Veröffentlichungen aus dem "Amtsblatt des Kreises Anklam" vom 6. Mai 1950. Angebliche Augenzeugenberichte des von den Sowjets eingesetzten Bürgermeisters von Anklam namens Klühs  sowie von zwei Angestellten  der Stadtverwaltung sollten belegen, daß es tatsächlich "faschistische Bomber" waren, die Anklam nach der Einnahme durch die Rote Armee weitgehend dem Erdboden gleichgemacht hätten. Ein Fischer namens Riemer wurde außerdem zitiert, der voll des Lobes für die sowjetischen Truppen war, weil sie ihm geholfen hatten, sein von der "SS" in Brand gesetztes Wohnhaus zu löschen.

Ein weiterer Beleg stammte aus einem "Heimatkalender 1995", hier schilderte jemand die, wie er meinte, "durch nichts zu rechtfertigende verbrecherische Zerstörung der Stadt" durch deutsche Truppen. Der Beitrag gipfelte in der Behauptung: "Die Innenstadt von Anklam war zu achtzig Prozent zerstört – nicht durch Feindeshand, zerstört nicht im offenen Kampf … sondern durch eine kaltblütige Überlebenstaktik. Damit wurde Anklam zur einzigen Stadt im mecklenburgischen-vorpommerschen Raum, die bewußt und ohne Skrupel liquidiert wurde." Der Autor bemühte sogar den Teufel, der vermutlich seine Hand im Spiel gehabt habe.

Immer wieder erlebt man es, daß in der Geschichtsschreibung die schweren Kriegsschäden in mitteldeutschen Städten den "Faschisten", der deutschen Wehrmacht, am liebsten der SS, der HJ oder dem "Wehrwolf" zugeschrieben werden. Und fast immer stellt sich bei einer kritischen Prüfung heraus, daß die Behauptungen nichts sind als die immer noch lebenden sowjetischen Propagandathesen.

Die Sieger bestimmen die Geschichtsschreibung des Besiegten – das ist eine für Mitteldeutschland wie für Westdeutschland gültige Erkenntnis.  Befremdlich  je- doch ist es, wenn auch ohne den Druck der Sieger die Besiegten deren Thesen übernehmen und sie mit Klauen und Zähnen gegen die historische Wahrheit verteidigen.

Anklam wurde bereits am 9. Oktober 1943 von der 8. US Air Force angegriffen. In deren Bombenteppichen gingen nicht nur Teile der Arado-Flugzeug-Werke in Flammen auf, vor allem wurden die Innenstadt und das Gelände um den Hafen herum zerstört. Der führende Luftkriegshistoriker der DDR, Prof. Dr. Olaf Groehler, schrieb in seinem Buch "Bombenkrieg gegen Deutschland" über die Folgen der amerikanischen Luftangriffe, sie hätten den Verlust von 63,5 Prozent der bebauten Stadtfläche von Anklam zur Folge gehabt.

Als sich in den letzten April-Tagen 1945 die Rote Armee Anklam näherte, sollte die Stadt, ein wichtiger Straßenknotenpunkt, verteidigt werden, um den südlich der Stadt stehenden deutschen Verbänden den Rückmarsch zu ermöglichen. Ein weiteres Ziel der Verteidigung war es, die Verbindung nach Usedom offen zu halten und möglichst vielen deutschen Flüchtlingen die Chance zu geben, sich von dort aus vor der anrük-kenden Sowjetarmee in Sicherheit zu bringen.

So setzte die Wehrmacht der Roten Armee erheblichen Widerstand entgegen. Trotzdem gelang es den sowjetischen Angreifern, am 29. April morgens in Anklam einzudringen. Einzelne deutsche Flugzeuge flogen am selben Tag Angriffe auf sowjetische Nachschublinien. Zwei 8,8-Flak-Geschütze schossen von außerhalb der Stadt auf sowjetische Ziele in der Innenstadt.

Die Wehrmacht hat in der Tat, soweit sie dazu noch in der Lage war, die deutschen Städte gegen die Rote Armee verteidigt. Wer auf der einen Seite die Verteidigung Leningrads gegen die Deutschen als Heldentat rühmt, sollte folgerichtig auch Verständnis haben, wenn Deutsche ihr Land gegen die sowjetischen Truppen verteidigen.

Sinnlose bewußte Zerstörungen deutscher Städte und Dörfer durch die Wehrmacht, wie von der sowjetischen Propaganda behauptet und von nicht wenigen Deutschen immer noch geglaubt, halten jedoch einer kritischen Prüfung nirgends stand. Das ist im Falle Anklam nicht anders als etwa in den Fällen Prenzlau oder Eberswalde. Hans Arp

 
     
     
 
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