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Debatte in London: Was hat England vom Pakt mit den USA?

 
     
 
Sieben europäische Staaten stellen sich demonstrativ auf die Seite der USA und Großbritanniens in der Irak-Frage. Das sorgte vor allem in London für sichtbare Erleichterung und linderte die an dieser Stelle letzte Woche untersuchten britischen Isolationsängste beträchtlich.

Kein Zweifel, so die verbreitete Meinung jenseits des Kanals, den schwarzen Peter haben jetzt die Deutschen. Sie und nicht die Briten seien es, die nun fürchten müßten, alsbald allein in der Ecke zu stehen. Denn bei den Franzosen und anderen derzeitigen Kriegsgegnern hofft London noch auf ein Einlenken in letzter Minute. Bis auf Deutschland haben sich alle einen kleinen Spalt in der Tür offengelassen: Eine neue Uno-Resolution. Nur Berlin hat sich ohne Einschränkung gegen einen Militärschlag enschieden.

Die Franzosen, so prophezeit das britische Magazin The Spectator, würden am Schluß einlenken, um ihre Ölinteressen im Irak zu sichern. Das Blatt gibt sich indes sicher, daß sich Paris hier verrechnet habe: Eine neue irakische Führung von Washingtons Gnaden werde allein amerikanische und britische Konzerne an die Öltürme lassen.

Umstritten ist die Frage, welchen Vorteil England eigentlich aus seiner Nibelungentreue zu den USA längerfristig ziehen werde. So sieht der Spectator Britannien bereits auf dem Weg zur dritten globalen Großmacht neben den USA und China: Seine Wirtschaft sei kerngesund und habe nicht mit den strukturellen Problemen seiner kontinentaleuropäischen Konkurrenz
zu kämpfen; auch daß seine Muttersprache die "Weltsprache" sei, verschaffe den Briten bereits einen dauernden kulturellen Vorteil. Hinzu komme aber, und hier gerät die enge Allianz mit den USA ins Blickfeld, daß London bei diesem Waffengang wie bei den vorangegangenen mit einem reichen Technologie-Transfer an neuesten Waffen von Amerika belohnt werde. Die Franzosen sähen gegenüber diesem Potential buchstäblich alt aus, von der Bundeswehr spricht der britische Kommentator erst gar nicht.

Weniger euphorisch gibt sich der Beobachter der Tageszeitung The Guardian. Er verweist auf die Geschichte und will festgestellt haben, daß die letzten Bündnisse mit den USA nicht zufällig mit dem Niedergang britischer Weltgeltung einher gegangen sind. Nicht nur, daß die USA im Zweiten Weltkrieg erst an die Seite der Engländer getreten seien, als sie von den Japanern selbst angegriffen worden seien. Washington habe die finanzielle und materielle Bedürftigkeit des von Deutschland bedrängten Britannien schamlos dazu ausgenutzt, den Briten das Fell über die Ohren zu ziehen.

Das ist durchaus richtig beobachtet: Ein Hilfsgesuch Churchills vom November 1940 beantwortete Washington mit einem Kreditvertrag, den die Handschrift eines Gerichtsvollziehers prägte. London mußte große Teile seines weltweiten Besitzes an die USA verpfänden. Auch der Guardian kennt Beispiele dieser besonderen Art amerikanischer Freibeuterei beim "Freund": Die gesamten Dollarreserven der Bank von England hätten die USA (1940/41) für Waffenlieferungen eingefordert. Geliefert habe man dann aber, so der Guardian giftig, nur alte "unbrauchbare Kriegsschiffe".

Noch während des Krieges arbeiteten amerikanische Spitzenpolitiker aktiv an der Zerschlagung des britischen Empires. Die Atlantik-Charta, ein britisch-amerikanischer Pakt vom August 1941, beinhaltete eine Forderung nach globaler nationaler Selbstbestimmung, die auf das Ende der Kolonialreiche zielte. So wird dort allen Völkern der Welt das Recht auf nationale Souveränität zugesprochen. Winston Churchill soll einem Verhandlungsteilnehmer zufolge ausgesehen haben wie jemand, der dem Herzinfarkt nahe ist, als US-Präsident Roosevelt ihm eröffnete, daß das selbstverständlich auch für alle Völker des Empires zu gelten habe (nicht erwähnt wurde natürlich, daß diese Souveränität umgekehrt für die amerikanischen Indianer nicht infrage kam). Churchill mußte dennoch einwilligen - er stand mit dem Rücken zur Wand.

1943 veröffentlichte Roosevelts unterlegener Gegenkandidat bei den Präsidentschaftswahlen von 1940 und späterer Verbündeter, Wendell Wilkie, sein berühmt gewordenes Buch "One World", in dem er eine neue globale Ordnung auf Grundlage von "Demokratie und Selbstbestimmung" forderte. Es wurde zu einer Art intellektuellem Grundsatzprogramm zur Beendigung der alten Kolonialsysteme.

Interessant ist der Hinweis in der "Atlantik-Charta", daß alle Völker freien Zugang zu den Rohstoffen haben müßten. Bis dahin saßen die europäischen Kolonialmächte an den Quellen, der Irak gilt als Schöpfung von "British Petroleum" (BP). Daß die Amerikaner mit "allen Völkern" vor allem sich selbst meinten, sollte die Nachkriegsgeschichte erweisen. Ohne alle diese Einzelheiten zu erwähnen, spiegelt sich in der Analyse des Guardian eine tiefe Verbitterung darüber wider, unter dem Deckmantel eines transatlantischen Bündnisses und hehrer Menschheitsideale von seinem amerikanischen Alliierten nach allen Regeln der Kunst gerupft worden zu sein. Geradezu wütend reagiert der Kommentator auf Tony Blairs Einwand, Amerika habe Großbritannien während der Luftschlacht um England 1940 beigestanden, deshalb müsse England nun auch den USA bedingungslos zur Seite springen, nachdem New York "bombardiert" worden sei: "Ihm ist offenbar nicht bewußt, daß Amerika zu der Zeit neutral war", so der Guardian.

"Alle Illusionen einer Übereinstimmung britischer und amerikanischer Interessen aber hätten spätestens die Suez-Krise nicht überleben dürfen, als die USA England finanziell den Teppich unter den Füßen weggezogen hat", so das Londoner Blatt. Es schlußfolgert, daß auch in der Irak-Krise Britannien erneut nicht nur Werkzeug, sondern auch Opfer einer "rein einseitigen" Allianz werden könne.

In den Stolz auf die "hervorgehobene Rolle" mischen sich Zweifel: Tony Blair als Gnom am Fuß des Cowboys Titelbild des Spectator vom 1. Februar
 
     
     
 
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