|
Frankreich rückt nach rechts und vielleicht auch in eine Zeit von Instabilität. Das ist die erste Schlußfolgerung, die man aus dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen des 21. April ziehen kann. Der Amtsinhaber, der konservative Jacques Chirac, erreicht rund 20 Prozent der abgegebenen Stimmen und wird am 5. Mai dem Chef der "Front National ", Jean-Marie Le Pen, gegenüberstehen. Lionel Jospin, der sozialistische Regierungschef, erlei- det ein Debakel mit 16,3 Prozent, während Le Pen seinerseits auf 17,3 Prozent rückt, nachdem er 1995 noch 15 Prozent der abgegebenen Stimmen erlangt hatte. Die Stimmenthaltungen erreichen die Rekordhöhe von 28,5 Prozent der Gesamtzahl der Wahlberechtigten (rund 40 Millionen). Anfang Juni finden die Wahlen zur Nationalversammlung statt.
Das vorrangige Thema, das den Wahlsieg der Rechten und äußersten Rechten erklären dürfte, war das der inneren Sicherheit, welches nach Meinungsumfragen zu 68 Prozent die Entscheidung der Wähler geprägt hat, vor allem die zügellose Einwanderungspolitik der Regierung der "mehrgleisigen" Linken ("Gauche plurielle"). Auffällig ist auch, daß Le Pen auf seinen Namen zahlreiche Stimmen von jüngeren Wählern zwischen 18 und 24 Jahren, Arbeitslosen und Durchschnittsbürgern, die vom staatlichen Interventionismus genug haben, hat verbuchen können.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums kommen die drei trotzkistischen Kandidaten insgesamt auf fast zehn Prozent. Die Kommunisten rutschen auf 3,5 Prozent ab. Der einzige andere Kandidat des "Establishments", der nicht zu schlecht abschneidet, ist der Zentrist Francois Bayrou (sieben Prozent), während der Linkssozialist Jean-Pierre Chevènement, der lange von den Medien begünstigt wurde, mit fünf Prozent ruhmlos scheitert.
Sofort nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse des 21. April haben die Demoskopie-Institute begonnen, die Wahlberechtigten zu befragen, um erste Wahlprognosen für den zweiten Wahlgang am 5. Mai zu veröffentlichen. Da außer den Trotzkisten die meisten Parteien der Fünften Republik empfehlen dürften, dann für Jacques Chirac zu stimmen, ist es nicht erstaunlich, daß der derzeitige Staatschef komfortabel wiedergewählt werden dürfte. Le Pen seinerseits hat in seiner ersten Rede um die Stimmen der "einfachen" Bevölkerung geworben, so daß die Kluft in Frankreich zwischen dem Establishment und dem Volk während der nächsten Monate, geschweige Jahre sich wohl vergrößern wird. Die "Front National" hat übrigens zur Zeit keinen Vertreter in der Nationalversammlung.
Am Abend seiner Wahlschlappe hat der Präsidentschaftskandidat und derzeitige Regierungschef Lionel Jospin angekündigt, er ziehe sich aus dem politischen Leben zurück. Schon aus diesem Grunde ist mit weiteren Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialistischen Partei zu rechnen. Dies könnte eine neue Wahlschlappe für diese Partei herbeiführen, diesmal im Juni bei den Wahlen zur Nationalversammlung.
Vor dem ersten Gang der Präsidentschaftswahlen schätzten nach Angaben der linksliberalen "Libération" 69 Prozent der Befragten, in diesem Jahr seien die kommenden Parlamentswahlen wichtiger als die zum Elyséepalast. Deswegen kann man davon ausgehen, daß Jacques Chirac nach dem Wahlergebnis vom 21. April schon mehr daran denkt, wie er eine eigene Regierungsmehrheit in der Nationalversammlung bekommt, als an den zweiten Gang der Präsidentschaftswahlen. |
|