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Der Bund fördert Beton statt Köpfe

 
     
 
Sie waren die Wunderwaffe des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder nach dem erschreckend schlechten Abschneiden Deutschlands beim internationalen Pisa-Vergleich: Ganztagsschulen. Medienwirksam setzte er sich für den Ausbau dieses Schultyps ein, denn schließlich würden in keinem der Länder, die im Pisa-Vergleich besonders gut abgeschnitten hatten, "die Kinder um die Mittagszeit - oder, wie bei uns, manchmal noch früher - aus der Schule geschickt". Vier Milliarden Euro
stellte Schröder damals zur Verfügung. "Das ist eine Investition in die Zukunft", so der Kanzler salbungsvoll. Durch dieses Programm sollten 10000 zusätzliche "pädagogisch profilierte Ganztagseinrichtungen" entstehen, die wie in den Pisa-Siegerländern für "qualitativ hochwertigen Unterricht" stehen würden.

Auch die damalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn unterstützte wie ihr SPD-Parteikollege das Vier-Milliarden-Programm. "Gemeinsame Bildungsreform auf dem Weg", hieß es damals aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Drei Jahre nach Schröders medienwirksamer "Rettungsaktion" und ein Jahr nach seiner Abwahl als Kanzler offenbart sich jedoch, daß das einzige, was an dem Programm mit dem schönen Arbeitstitel "Zukunft Bildung und Betreuung" als "gemeinsam" zu bezeichnen ist, der Topf der Bundesmittel ist. Ansonsten geht aber jedes Bundesland - manchmal sogar jeder Landkreis, jede Schule - einen eigenen Weg.

Von den vier Milliarden Euro sind bis zum 20. Juli 2006 gerade 1,3 Milliarden Euro abgerufen worden. Dies erklärt sich einerseits damit, daß der Bund erst zahlt, wenn die Kosten entstanden sind, andererseits scheint das Konzept "Ganztagsschule" erst allmählich zu zünden. 2003 und 2004 war die "Nachfrage" nach Ganztagsschulen keineswegs so akut, daß Schröders Geldgeschenk sofort Abnehmer fand.

Nordrhein-Westfalen hingegen ließ sich nicht allzu lange bitten. Rasant begann das Land mit der Umstellung seiner 3500 Grundschulen auf Ganztagsbetrieb. Mitte dieses Jahres waren bereits zwei Drittel der Einrichtungen auf ein nach eigenem Bekunden "qualifiziertes Ganztagsangebot" umgestellt. Der Bund hatte bis dahin vier Fünftel der dem Bundesland zustehenden Mittel bewilligt.

Andere Länder gehen zögerlicher ans Werk. Sachsen-Anhalt beispielsweise interpretiert die Verwendungsmöglichkeiten anders als Nordrhein-Westfalen. Hier setzt man, wie es aus dem Kultusministerium in Magdeburg heißt, auf Klasse statt auf Masse: "Ziel der Umsetzung des Investitionsprogramms des Bundes ,Zukunft Bildung und Betreuung war von vornherein nicht die Förderung möglichst vieler Projekte unter Inkaufnahme pädagogischer Beliebigkeit, sondern die Realisierung qualitativ hochwertiger pädagogischer Konzepte zur Ganztagsbetreuung mit Referenzcharakter für das Land." Die Liste der geförderten Schulen umfaßt in Sachsen-Anhalt landesweit 64 Investitionsprojekte mit 70 beteiligten Schulen.

Niedersachsen wiederum mischt Qualität und Quantität. Insgesamt hat das Flächenland zum Schuljahrsbeginn 2006 / 2007 515 Ganztagsschulen. Im Kultusministerium in Hannover will man vor allem die Hauptschulen stärken, und so haben diese bei der Vergabe von Finanzmitteln zum Umbau zur Ganztagseinrichtung erste Priorität. Zwar will man durchaus alle der zur Verfügung stehenden Mittel vom Bund abrufen, gleichzeitig soll aber nichts überstürzt werden. "Der Bund fördert Beton, das Land die Köpfe", so der Pressesprecher und spielt damit darauf an, daß der Bund aufgrund der Tatsache, daß Bildung Ländersache ist, nur bedingt Einfluß nehmen darf. Aber immerhin würde die heimische Baubranche von den Aufträgen der Schulen profitieren

"Da der Bund keine Zuständigkeit für Schulen hat, darf er auch keine Personalkosten übernehmen. Insofern ist das Programm vor allem eines, mit dem die baulichen Voraussetzungen für den Ganztagesunterricht geschaffen werden", heißt es aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

"Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie" und "Mehr Zeit zum Lernen" waren damals die Schlagwörter von Rot-Grün als Schröder die vier Milliarden Euro freigab. Da jedoch nur wenige Schulen als "gebundene Ganztagsschule" fungieren, also den Kindern ein festes Unterrichtsprogramm von 8 bis 16 Uhr offerieren, sind Beruf und Familie so keineswegs besser zu vereinen.

Auch das Motto "Mehr Zeit zum Lernen" erweist sich in den meisten Fällen als Wunschdenken. Weil die Personaldecke dünn ist, wird der Nachmittagsunterricht meistens von Verbänden und Vereinen gestaltet.

In Niedersachsen nennt man das geschönt eine "Win-win-Situation", sprich die Schulen bekommen zu günstigen Konditionen Freiwillige vom Roten Kreuz, Landfrauenverein, Sportverein oder der Musikschule vor Ort, die die Kinder beschäftigen, und die Verbände haben eine stärkere Breitenwirkung.

Für die Sozialkompetenz, die musische Ausbildung und die Fitneß der Kinder mag das ein annehmbares Konzept sein, doch bessere Pisa-Ergebnisse werden so wohl kaum erreicht.

Schüler der Staudinger Ganztagsschule in Freiburg: An vier Tagen in der Woche wird von 8 Uhr bis 16 Uhr und mittwochs von 8 Uhr bis 13.15 Uhr unterrichtet. Neben dem Unterricht bietet die Schule ihren Schülern Fördermaßnahmen sowie außerunterrichtliche Aktivitäten an.
 
     
     
 
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