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Die Handwerker sind im Haus. Frühmorgens stiefeln sie polternd die Treppe hoch, schurren und klappern den ganzen Tag über mit Leitern und Farbkübeln herum und würzen ihre Pausen mit flotter Radiomusik.
Seit die Anstreicher ihr „Unwesen“ treiben, steht es mit Henriettas Nerven nicht zum besten. Da sie im Parterre wohnt, wird stets bei ihr geschellt, wenn die Männer morgens ins Haus wollen. In Henriettas Augen ist das eine echte Zumutung . Als Freiberuflerin sitzt sie oft bis spät in die Nacht an ihrem Schreibtisch und ist daher auf einen ungestörten Morgenschlaf dringend angewiesen. Um sieben Uhr früh aus dem Bett geklingelt zu werden - dies grenzt zumindest in ihrem Fall fast schon an Körperverletzung. Kein Wunder, daß ihr Verhalten den Handwerkern gegenüber ziemlich unfreundlicher Natur ist.
Als einer der Maler sich in der steten Zugluft des Treppenhauses einen ordentlichen Husten einfängt, empfindet Henrietta denn auch unverhohlen Schadenfreude. Geschieht dir ganz recht, lächelte sie grimmig, was mußtest du auch ständig vor dich hinsingen!
Am nächsten Morgen bleibt das Singen aus, dafür gehen die Hustenstöße in rauhes Bellen über. Der Zufall will es, daß Henrietta vom Einkaufen kommt, als die Männer gerade Mittagspause halten. Die Renovierungsarbeiten beschränken sich mittlerweile nur noch aufs Erdgeschoß, so daß die Anstreicher ihre Mahlzeit an diesem Tag auf dem Treppenabsatz vor Henriettas Wohnungstür einnehmen. Drei junge Männer sind es, die da in unbequemer Haltung auf den Stufen kauern und ihre mitgebrachten Brote auswickeln. Höflich springen sie auf, um Henrietta durchzulassen. Einer von ihnen stößt dabei seine halbleere Colaflasche um, doch gelingt es ihm, sie aufzufangen, noch ehe die restliche Füllmenge auslaufen kann.
„Nix passiert“, keucht er mühsam, und Henrietta sieht, welche Anstrengung es ihn kostet, den aufsteigenden Hustenreiz zu unterdrücken.
In der Küche packt sie nachdenklich ihre Einkäufe in den Kühlschrank. Kalte Cola und Husten - ob das wohl gutgeht? Es ist wahrlich nicht ihre Art, sich um die Trinkgewohnheiten anderer Leute zu bekümmern. Doch das schwitzig-blasse Gesicht des jungen Burschen - das läßt sich einfach nicht verdrängen.
Und so schauen die Anstreicher Minuten später erstaunt von ihrer Brotzeit auf, als die Wohnungstür aufgeht und jene Frau, die sonst nur kalte Blicke für sie übrig hat, ein Tablett vor ihnen abstellt, auf dem sich Tassen, eine Thermoskanne und Kondensmilch befinden.
„Heißer Kaffee“, verkündete Henrietta mit gewohnter Strenge. „Fencheltee wäre bei Husten zwar wesentlich angebrachter, doch mit Kaffee treffe ich wohl mehr Ihren Geschmack, nicht wahr?“ Eifriges Nicken ist die Antwort, und nur zu gern wird die unerwartete Gabe entgegengenommen.
Abends, am Schreibtisch, will es mit der Arbeit nur schleppend vorangehen. Trotzdem ist Henrietta eigentlich ganz zufrieden mit sich. Vielleicht liegt es ja daran, daß an diesem Tag im Hause wesentlich weniger gehustet wurde. |
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