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Beim Sturm der Roten Armee von der deutschen Ostgrenze an die Oder waren an der Ostseeküste deutsche Kessel und Brückenköpfe entstanden. Die Sowjets bemühten sich, diese zu vernichten. Ende März war der Heiligenbeiler Kessel von den Deutschen geräumt. Die 3. Weißrussische Front unter Marschall Wassiljewski konnte sich nun mit ihrer 11. Garde- und ihren drei weiteren Armeen ganz der Eroberung Königsbergs widmen.
Die Verteidiger waren den Angreifern hoffnungslos unterlegen. Rund 30 russischen Schützendivisionen standen auf deutscher Seite nur vier neu aufgefüllte Divisionen sowie ein Aufgebot aus Festungs-, Volkssturm, Marine- und Polizeieinheiten sowie Angehörigen der Hitlerjugend und Sicherheits- Hilfs- sowie Luftschutzdiensten gegenüber. 250.000 Sowjets kamen auf 35.000 Deutsche. Auf einen deutschen Panzer kamen 100 russische. Eine einzige Sturmgeschütz-Kompanie stand dem Festungskommandanten, General Lasch, zur Verfügung. Flugzeuge hatten die Deutschen überhaupt keine, während die Russen etwa ein Drittel ihrer Luftflotte zusammengezogen hatten. Erschwerend kam hinzu, daß die 5. Panzer-Division und die 1. Infanterie-Division beim russischen Angriff nicht mehr für die Verteidigung zur Verfügung standen, da sie zuvor in den Westen verlegt worden waren, offenbar in der irrigen Annahme des Stabes der 4. Armee, daß nicht Königsberg, sondern Pillau das vorrangige Ziel der Sowjets sei.
Zu der hoffnungslosen Unterlegenheit der Deutschen hinsichtlich der Zahl der Soldaten und Waffen kam ein geradezu grotesker Mangel an Munition. Er führte dazu, daß die Flak auf die Bekämpfung russischer Flugzeuge verzichtete, um jeden Schuß für die Panzerbekämpfung aufzusparen. Auch mußten die Deutschen tatenlos bei der Vorbereitung des sowjetischen Angriffs zusehen, da man bei der Offensive den Angreifern nicht munitionslos gegenüberstehen wollte.
Am 6. April 1945 war es soweit. Am Morgen wurden die Verteidiger als erstes mit Geschützfeuer, Granaten, Stalinorgeln und Bomben von Lande und aus der Luft systematisch bearbeitet. Dem folgte ein Sturm aus russischen Panzern und Soldaten. Ein Ziel der Russen war es dabei, bei Metgethen und Moditten zum Frischen Haff vorzustoßen, um die Verteidiger Königsbergs von den deutschen Truppen im Osten des Samlandes abzuschneiden und die Samlandfront vom Osten her aufrollen zu können. Immerhin gelang es den Angreifern die Bahnverbindung zwischen Königsberg und Pillau zu unterbrechen. So sollte der deutsche Lazarettzug, der am frühen Morgen, wenige Stunden vor dem russischen Angriff Königsberg Richtung Pillau verlassen hatte, der letzte gewesen sein.
Noch am selben Tag, dem 6. April, beantragte Lasch einen Entlastungsangriff der 5. Panzer-Division aus dem Westen, um den russischen Einbruch rückgängig zu machen und wieder eine funktionierende Verbindung herzustellen, doch wurde dieser am 7. April nur halbherzig vorgenommen und blieb erfolglos. Da der von den Russen mit großer Vehemenz vorgetragen Angriff ihnen am 7. April weiteren Geländegewinn und sie immer weiter Richtung Stadtkern brachte, beantragte Lasch bei seinem militärischen Vorgesetzten die Genehmigung, Königsberg aufzugeben und zu versuchen, mit der gesamten Festungsbesatzung Richtung Westen auszubrechen und dabei einen Korridor für die 100.000 bis 130.000 Zivilisten in der Stadt zu schaffen. Der Antrag wurde in schärfster Form abgelehnt.
Am darauffolgenden Tag erhielt der Festungskommandant Besuch vom Stellvertretenden Gauleiter Großherr und dessen Stab. Von hier aus rief dieser nun seinerseits seinen Vorgesetzten an, um eine Ausbruchsgenehmigung zu erhalten. Dieser Versuch war insofern erfolgreich, als Gauleiter Koch eine entsprechende Genehmigung bei der militärischen Führung durchsetzte. Entgegen Laschs Plan sollten die Soldaten jedoch nicht mit ausbrechen, sondern die Festung weiterhin halten und den Ausbruchsversuch der Zivilisten nur militärisch unterstützen. Eindeutig lautete der entsprechende Befehl: "Die Festung ist weiterhin zu halten, für den Durchbruch der Parteileute und der Zivilbevölkerung sind nur schwache Kräfte zu verwenden." Lasch gab daraufhin telefonisch seinem Vorgesetzten zu bedenken, daß ein Ausbruchsversuch mit schwachen Kräften gegen den übermächtigen Feind selbstverständlich zum Scheitern verurteilt sei. General Müller ließ sich jedoch nicht umstimmen und gegen 20 Uhr erhielt Lasch den Befehl: "1. Festung Königsberg hält. 2. Schwache Kräfte in Form von Stoßtrupps (der Hauptauftrag darf darunter nicht leiden) stellen die Verbindung zur 561. Volks-Grenadier-Division her. 561. Volks-Grenadier-Division greift von Westen mit Teilen 5. Panzer-Division an. Diese Teile dürfen Ostrand Juditten nicht überschreiten. Zwischen den Relaisketten der Stoßtrupps ist die Zivilbevölkerung durchzuschleusen."
In der Dunkelheit der Nacht vom 8. zum 9. April wurde der Ausbruchsversuch unternommen. Bereits die Vorbereitungen erwiesen sich als schwierig. Die mit dem Unternehmen verbundenen Zivilistenanhäufungen und Truppenbewegungen blieben den Sowjets nicht unbemerkt und wurden von diesen mit Artilleriebeschuß und Fliegerangriffen begleitet. Die Trümmer in der Stadt erschwerten den Soldaten die Bewegung und die Orientierung. Wo Kräfte von der Front für die Operation abgezogen wurden, bestand immer die Gefahr, daß der Gegner nachstieß. Wie von Lasch befürchtet, blieb dieser Versuch eines Ausbruchs erfolglos. Viele Opfer galt es zu beklagen, die Kampfmoral sank.
Der Festungskommandant zog daraus die Konsequenz, Wassiljewskis durch Parlamentäre schon mehrfach überbrachter Aufforderung zu kapitulieren nachzukommen. In den späten Abendstunden erschien in Laschs Befehlsstand eine russische Delegation zur Entgegennahme der Kapitulation Königsbergs. Dafür garantierten die Sieger den Verlierern als Gegenleistung das Leben, ausreichende Verpflegung und eines Soldaten würdige Behandlung während der Kriegsgefangenschaft, Sorge für die Verwundeten und für die Zivilbevölkerung sowie Freilassung nach Kriegsende. Die Sowjets haben die Kapitulation entgegengenommen, aber gehalten haben sie von ihren Versprechungen keine.
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