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Der Wasserplanet

 
     
 
Unheimlich sehen sie aus, die finsteren Gesellen der Tiefsee: riesige, mit nadelspitzen Zähnen bewehrte Mäuler. An ihren Köpfen schaukeln sonderbare Tentakel, die der Orientierung in schwärzester Nacht dienen. Lange Zeit glaubte man, daß in den Abgründen der Meere, wo immenser Druck herrscht und nie ein Sonnenstrahl hinfällt, Leben nicht gedeiht. Knapp ein Prozent der Tiefsee wurde bisher erforscht; weltweit tauchen maximal sechs U-Boote in Dimensionen jenseits der 1.500 Meter.

Sogar den Mars kennen wir besser als 70 Prozent der Erdoberfläche, die das Wasser bedeckt. Gerade die Unzugänglichkeit der Ozeane weckte die Neugier eines Teams der BBC-Reihe "Unser blauer Planet". Nun erschien zum selben Thema das Buch; es vereint präzise Textinformation mit hochklassigen Fotos. Jeden Aspekt der enorm reichhaltigen und empfindsamen Meereswelt erläutern sachkundige Autoren. Die breite Palette erfaßt nicht nur Mangrovensümpfe und Seewiesen, Meeresvulkane und die Weiten der Ozeane.

Gleich am Anfang wird die fundamentale Bedeutung des Wassers dargelegt. Ohne das nasse Element kreiste die Erde tot um die Sonne, denn erst die "nährstoffreiche, wohl temperierte Suppe" des Urmeeres gebar die frühen Organismen. Verschwände das Weltmeer, ähnelte das Klima der Erde Dantes Inferno. Die Ozeane spenden dem Land Regen und mäßigen die Temperaturen; sie bieten Nahrung, Rohstoffe
und verbinden die Kontinente.

Woher kommt die gigantische Wassermenge, die den öden in einen blauen Planeten verwandelte? Vor etwa 3,8 Millionen Jahren preßten Vulkane Wasserdampf aus der Erdkruste. In höheren Schichten kondensierte der Dampf und regnete auf die Erde herab.

Pflanzen und Tiere wachsen und leben größtenteils im küstennahen Flachwasser. Das Licht, unverzichtbarer Motor der Photosynthese, dringt nur in Tiefen bis etwa 200 Meter vor. Die Vielfalt der Lebensräume, Gezeitenzone, Eismeer, Korallenriffe und Hochsee, bedingt sehr differenzierte Tierarten, die sich den jeweiligen Notwendigkeiten anpassen. Große Fettreserven erleichtern es Fischen der offenen See, oben zu bleiben. Wo Ebbe und Flut einander folgen, schützen spezielle Ge-webe die Organismen vor der Austrocknung. Scheinbar grenzt es ans Wundersame, daß zar- te Tiefseefische einem Druck trotzen, der stählerne U-Boote zerquetscht. Solche Arten haben eine Wasserblase, und ihr Druck entspricht genau dem Gewicht des Tiefenwassers.

Auch die prachtvolle Welt der Korallenriffe, geschaffen dank der Kalkablagerungen winziger Polypen, findet in dem Buch breiten Raum. Interesse verdienen nicht minder unzählige Variationen der Fortpflanzung. Sogar Geschlechtsumwandlungen und "schwangere Männchen" sind innerhalb mancher Gattungen stark verbreitet. Im Durchschnitt erreicht nur ein Fisch von einer Million das Erwachsenenalter.

Die Nahrungskette des Meeres beginnt mit Zooplanktons und endet bei riesigen, dreiunddreißig Meter langen Blauwalen. Da auf jeder Stufe Energie verlorengeht, sinkt die Zahl der Lebewesen, je steiler die Pyramide nach oben reicht.

Oft zerstört der Mensch das komplizierte Gleichgewicht des Ökosystems namens Meer. Etliche Haipopulationen sterben aus, weil der Mensch sie fürchtet und haßt. Dabei gefährden, statistisch gesehen, tödliche Eselstritte die Menschheit weit häufiger als Haiangriffe. Rolf Helfert

Andrew Byatt, Alastair Fothergill: "Unser blauer Planet. Eine Naturgeschichte der Meere", VGS, Köln 2002, 384 Seiten, 39,90 Eur
 
     
     
 
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