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Seit 1895 war Franz Albert Rauch, 1861 in Lyck geboren, Geistlicher an der Bartholomäuskirche. Seiner Initiative und Tatkraft war es in der Hauptsache zu verdanken, daß die auf 6.000 Seelen angewachsene Kirchengemeinde ein neues Gotteshaus erhielt. Die alte Ordenskirche hatte sich nicht nur als zu klein, sondern auch als bedenklich baufällig erwiesen. Mauerwerk und hölzernes Tonnengewölbe offenbar- ten arge Schäden. In den Jahren 1898 bis 1901 wurde der Neubau - im Stil der Backsteingotik sehr einfühlsam mit den Resten der alten Kirche harmonie rend - durch den Maurermeister Krupski aus Osterode ausgeführt. Die gewölbte Decke des neu erstandenen, ursprünglich dem heiligen Bartholomäus geweihten Gotteshauses wurde ausgemalt. Der älteste Fideikommißbesitzer Franz Rose aus Döhlau stiftete 1901 die Kirchenfenster, auf denen die biblischen Motive „Jesus segnet die Kindlein“, die „Bergpredigt“ und die „Himmelfahrt“ sowie der Kirchenpatron, der heilige Bartholomäus, dargestellt wurden. Die Fenster wurden von dem Glasmalatelier Ferdinand Müller in Quedlinburg hergestellt. Orgelbauer Wittek aus Elbing schuf die mit 23 klingenden Stimmen versehene Orgel. Der herrliche Barockaltar wurde aus der alten Kirche übernommen. Der Aufbau dieses Altars, den Dehio-Gall als „charakterische Königsberger Arbeit“ bezeichnete, wurde 1712 begonnen. Er wurde von den damals berühmten preußischen Bildschnitzern Johann Döbel und Isaak Riga modelliert und 1718 staffiert. Auch der Taufengel von 1717 und die Kanzel von 1720, ein mittelalterlicher Taufstein sowie andere zum Teil künstlerisch wertvolle Ausstattungsstücke wurden aus der Kirche übernommen. Vor gut 100 Jahren, am 31. Oktober 1901, war es dann soweit: Die neue Kirche wurde mit einem Festgottesdienst eingeweiht.
Wie durch ein Wunder blieb die Kirche bei der fast vollständigen Zerstörung und Brandschatzung beim russischen Einmarsch im Januar 1945 nahezu unversehrt, doch nagte der Zahn der Zeit in den vergangenen Jahrzehnten an dieser Kirche, die der polnischen katholischen Gemeinde nun schon seit über 50 Jahren als Gotteshaus dient. Der heute amtierende Pfarrer von Liebemühl (Milomlyn), Präses Josef Kowalewski, hat sich sehr um die Erhaltung seiner Kirche bemüht und dabei vielfältige Unterstützung von deutschen Bewohnern Liebemühls und deren Nachfahren erfahren. So hat sich Harry Zillgith aus Dortmund, gebürtiger Liebemühler und Veranstalter vieler Heimatreisen, der ein guter Freund von Pfarrer Kowalewski geworden ist, in vielfältiger Weise für „seine“ Taufkirche eingesetzt. Dabei fanden sie Hilfe bei Klaus Barwinski, dem Enkel von Pastor Rauch, deren sichtbaren Beweis ein komplett neues Kirchendach darstellt, nachdem durch das alte schadhafte Dach, sehr zur Sorge von Josef Kowalewski, das Innere der Kirche schon in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Die schönen Kirchenfenster wiesen ebenfalls unschöne Lükken auf. So fehlte von den vier Rosettenfenstern auf der Empore eines ganz. Harry Zillgiths Vetter Rudolf Hans Zillgith, dessen Urgroßvater Friedrich Zillgith von 1886 bis 1895 Stadtverordneter von Liebemühl gewesen ist, erklärte sich spontan bereit, die Wiederherstellung der vierten Rosette für die Liebemühler Kirche zu spenden, in der sein Großvater und viele Vorfahren getauft worden sind. Dies war insofern naheliegend, als seine Tochter Manuela Bijanfer in Oberkirch als Glasmalermeisterin ein eigenes Atelier betreibt.
Zum Jubiläum 100 Jahre neue Bartholomäus-Kirche bat Josef Kowalewski Harry Zillgith erfolgreich, eine Busreise mit Liebemühlern aus der Bundesrepublik Deutschland zu organisieren. Den Höhepunkt dieser Reise, die über Danzig, Marienburg und Heiligelinde führte, bildete naheliegenderweise das Jubiläum der Kirche mit einem Symposium im Saal des Hotels „Milomlyn“ und dem Besuch des Friedhofs, auf dem ein an die deutsche Vergangenheit erinnernder Gedenkstein eingeweiht wurde.
Die Feier in der Kirche begann um 10 Uhr. Sie wurde eingeleitet von dem Direktor des Priesterseminars in Allenstein, Prof. Dr. Wladyslaw Nowak, der die deutschen Teilnehmer in ihrer Muttersprache herzlich begrüßte. Dann stand Pfarrer und Dekan Kowalewski am Pult und hielt die Andacht zur 100-Jahr-Feier der Bartholomäus-Kirche. Im Anschluß an die Andacht bat Dekan Kowalewski Klaus Barwinski als Ehrengast zu den Besuchern zu sprechen. Der Enkel Franz Rauchs kam dieser Bitte mit versöhnlichen Worten zur deutsch-polnischen Vergangenheit nach.
Die heilige Messe wurde zelebriert durch eingeladene Priester unter der Führung von Bischof Andrzes Sliwinski aus Elbing. Wörtlich führte der polnische Bischof das folgende aus: „1945 wurde Liebemühl polnisch. Die deutschen Bewohner wurden vertrieben, Menschen, die nichts dafür konnten, mußten alles verlassen. Die Polen, die im ehemaligen Ostdeutschland angesiedelt wurden, wurden durch die Russen ebenfalls aus ihrer Heimat vertrieben, viele Deutsche und Polen hatten also dasselbe Schicksal. Heute sind hier zu dieser Feier Einwohner des Vorkriegs- und Nachkriegs-Milomlyn friedlich versammelt.“
Außer den Busreisenden waren auch deutsche Liebemühler mit der Bahn und Personenkraftwagen aus der Bundesrepublik angereist, sowie deutsche Daheimgebliebene aus der näheren Umgebung. So waren die beiden ersten Bänke in der Kirche von deutschen Liebemühlern besetzt. Das Zeremoniell in der Kirche endete um 11.40 Uhr.
Für 12 Uhr hatte das Dekanat zu einem Symposium in den Saal des Hotels „Milomlyn“ geladen. Hier befaßten sich die polnischen Bewohner Liebemühls neben der Schilderung der Entwicklung seit der polnischen Besiedlung nach 1945 auch intensiv mit der deutschen Geschichte der Stadt und brachten ihr großes Bedauern über die Zerstörung des Stadtkerns beim russischen Einmarsch zum Ausdruck. Harry Zillgith beendete seinen Beitrag, der die Zwischenkriegszeit zum Thema hatte, mit den Worten: „Die angereisten ehemaligen deutschen Bürger Liebemühls würden sich freuen, wenn die heutigen Bürger Milomlyns an der Einweihung des Gedenksteins um 16.30 Uhr auf dem Friedhof teilnehmen würden. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.“
Pünktlich um 16.30 Uhr erschienen die Deutschen und eine ungefähr gleiche Zahl an Polen. Nach der Begrüßung und einer Ansprache Harry Zillgiths im Geiste der Völkerverständigung nahm Dekan Kowalewski im Kreise mehrerer Pfarrer die Weihe des Denkmals vor. Es folgte eine Würdigung durch den Bürgermeister Stanislaw Gorzcitza. Den Abschluß bildeten Dankesworte Harry Zillgiths an die Adresse des Bürgermeisters für die angebotene Pflasterung des Innenbereichs bis zum Gitter im besonderen sowie die gute und hilfreiche Zusammenarbeit im allgemeinen. (R.) H. Z.
Auf dem Friedhof: Feierliche Einweihung des Gedenksteins mit der Inschrift: „1939-1945 / Zum Gedenken der Bürger von Liebemühl, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben und ihre Heimat verloren / ,Sie mahnen zum Frieden‘ / Die Liebemühler am 24.08.2001“. Bei einem späteren Aufenthalt in Liebemühl hat Harry Zillgith eine Tafel mit der polnischen Übersetzung der deutschen Denkmalinschrift angebracht, damit polnische Besucher der Anlage, welche kein Deutsch verstehen, den Text des Denkmals nachvollziehen können.
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