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Zu Beginn des Jahres 2005 steht die von der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) herausgegebene neue Ausgabe des Deutschland-Journals unter dem Zeichen des 60. Jahrestages der deutschen Niederlage. Sein Herausgeber, der Vorsitzende der SWG, Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler, spricht im Geleitwort von der "nur noch mit äußerster Selbstbeherrschung zu ertragenden Canossa-Haltung unserer politischen Klasse. Die planvolle Vernichtung des Deutschen Reiches und der eigene Untergang werden als Befreiung gefeiert, und die eigene Wehrmacht wird im Ausland als Nazi-Truppe verleumdet." Und auch im Inland.
Die Beiträge namhafter Autoren stehen im weitesten Sinne im Sinnzusammenhang mit dem Jahrestag. So findet man den Wortlaut der Festrede von Lennart Meri, des damaligen Staatspräsidenten Estlands, die er anläßlich des 5. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung 1995 in Berlin gehalten hat und in der er im Zusammenhang mit Deutschland, "einer Republik der Reue", den Begriff "Canossa-Republik" prägte. Was er sagte, hätte eigentlich unserem Bundeskanzler gut zu Gesicht gestanden: "Man kann einem Volk nicht trauen, das rund um die Uhr eine intellektuelle Selbstverachtung ausführt. Diese Haltung wirkt auf mich wie ein Ritual, eine Pflichtübung, die überflüssig und sogar respektlos gegenüber unserem gemeinsamen Europa dasteht." Es tut gut, einmal die ganze, von einer souveränen menschlichen Haltung zeugende Rede zu lesen.
Während wir uns immer noch an die Brust schlagen, weil Deutschland 1939 den Krieg gegen Polen begonnen hat, werden überall in der Welt Kriege geführt und demzufolge auch begonnen, nicht zuletzt von der Nato, zu der auch Deutschland gehört. Da ist es erhellend, die Darlegungen des Brigadegenerals a. D. Dr. Heinz Loquai zu lesen, der bis 1999 die Militärberatergruppe bei der deutschen OSZE-Vertretung in Wien leitete. Er schildert, wie sich um die Jahreswende 1998/99 die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik grundlegend gewandelt hat. Galt es vorher als ehernes Gesetz, daß unsere Streitkräfte lediglich zur Verteidigung der Heimat aufgestellt worden sind, müssen sie nun überall in der Welt eingreifen. Politisch wurde Deutschland mit seinen Soldaten mit irreführenden Greuelmeldungen in den Krieg getrieben, wie Loquai ausführt, und das keineswegs in deutschem Interesse, wohl aber von der linken, ehemals eher pazifistisch gesinnten deutschen Regierung willfährig ausgeführt.
In einem anderen Beitrag analysiert Generalmajor a. D. Christian Millotat, länger als ein Jahr Stellvertreter des Kommandeurs der Kosovo Force in Pristina, die Politik, die den militärischen Einsätzen der Bundeswehr im Kosovo und dem Krieg im Irak zugrunde liegt. Er kommt zu dem Schluß, daß in beiden Fällen "die gleichen Fehler gemacht" worden sind: Man hat nicht rechtzeitig den Kontakt mit der Bevölkerung gesucht, und man hatte kein politisches Konzept für die Zukunft der Gebiete.
Harald Seubert, Professor an der Universität Halle-Wittenberg, stellt fest, daß die wesentlichen Wurzeln unserer Identität im deutschen Osten liegen, und erinnert an "einigen wenigen zentralen Strebepfeilern - von Immanuel Kant bis Gerhart Hauptmann - an den Reichtum und die Verpflichtung der geistigen Landschaft des deutschen Ostens."
"Der mehrfach umgedrehte Deutsche" nennt Prof. Dr. Werner Rother seinen Beitrag, in dem er fragt, wie sich der einzelne Bürger in den vier Staatsformen befunden habe, die die Deutschen seit 1914 erleben mußten. Der Jurist Hans-Peter Gundermann untersucht das Unwort des Jahres 2003 "Tätervolk" und begründet seine Ablehnung mit juristischen Argumenten - eine vorzügliche Argumentationshilfe. Nach einigen Buchbesprechungen berichtet Uhle-Wettler als Vorsitzender über die reichen Aktivitäten der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft im vergangenen Jahr, vor allem über die SWG-Studienfahrten, die 2005 fortgesetzt werden. Dr. Hübner
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