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Die albanischen Freischärler, die dieser Tage im Begriff sind, den wer weiß wievielten Balkankrieg vom Zaun zu brechen, wurden auf ihr Vorhaben bestens vorbereitet. Geld und technische Unterstützung erhielten sie aus den USA. Ehemalige Offiziere der britischen Elitetruppe SAS haben ihnen beigebracht, wie man einen Guerillakrieg führt. Die mazedonischen Streitkräfte haben dem nur bescheidene Mittel entgegenzusetzen.
Alles deutet darauf hin, daß wir dieser Tage den Beginn eines neuen Balkankrieges erleben mit dem gewissen Unterschied, daß Deutschland von Anfang an mittendrin sein wird. Die Berliner Reaktionen sind von tiefer Hilflosigkeit geprägt. Die Fehler der jüngsten Vergangenheit drohen sich bald bitter zu rächen. Vor fast auf den Tag genau zwei Jahren griff die Nato Serbien an und okkupierte im Sommer 1999 Kosovo. Vom Beginn der Operation an war jedoch nicht klar, welchem realistischen Ziel sie eigentlich diene.
Mit gewaltigem Pathos wurde lediglich die Ideologie von der moralischen Notwendigkeit eines "multiethnischen Miteinanders" gepriesen und drauflos marschiert. Wie allerorten bei sogenannten "Friedenseinsätzen" sollte nach Möglichkeit bloß der Vorkriegszustand wiederhergestellt und eingefroren werden. Daß eben dieser geradewegs in den Krieg geführt hatte, wird beharrlich ignoriert und die Eskalation zum Werk einiger weniger gefährlicher Elemente heruntergespielt.
Schlimmer noch: Selbst die Deutschen (die es aus eigener Erfahrung besser wissen müßten) übernahmen jene grobschlächtige angelsächsische Einteilung der Kampfparteien in vermeintlich "Gute" und "Böse". Die Serben waren danach 1999 böse, die Albaner gut, welche deshalb alle moralische und materielle Unterstützung erhielten.
Wie weit die Unterstützung des "Westens", sprich der USA, für die albanische UÇK ging, ließ der CDU-Verteidigungsexperte Willy Wimmer vergangene Woche durchblicken. "Was wir hier erleben, ist kein Zufall, sondern unter den Augen und durch die Förderung der Armee der Vereinigten Staaten entstanden", sagte der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium der "Welt am Sonntag" und stellte fest: Wenn albanische Kämpfer (vom Kosovo aus) in benachbarte Regionen einsickerten, müsse dies mit Billigung der USA geschehen sein. Denn im Kosovo könne sich "keine Maus bewegen, ohne daß die Kfor es mitbekommt".
Die Rolle Washingtons auf dem Balkan war von Anfang an undurchsichtig. Ihren Verbündeten gewährten die Amerikaner während des Kosovo-Krieges nicht einmal Einblick in die gesamten Ergebnisse ihrer Satellitenaufklärung. Dies entfachte sogar bei der für gewöhnlich devoten Bundesregierung kurze öffentliche Empörung.
Nach Wimmer, den seine Partei erwartungsgemäß für die US-kritischen Äußerungen sofort tadelte, sind nun also amerikanische Gewehre auf deutsche Soldaten gerichtet. Was die deutsche Garnison tun soll, wenn in Tetovo die Hölle losbricht, weiß zur Stunde niemand. Auf den ersten Zwischenfall reagierte Berlin mit einem hektischen Aktionismus, der nichts Gutes hoffen läßt. Eilig wurden Truppenteile wegverlegt und Kampfpanzer in Position gebracht. (Völlig unangemessen, wie der Bundeswehrverband kritisiert. Die schweren Panzer seien in dem zu befürchtenden infanteristischen Kampf die falsche Waffe.)
Gleichzeitig entfaltete sich das bekannte Bonnberliner Reisefieber ("Präsenz zeigen!"). Man werde sich nicht "auf der Nase herumtanzen lassen", droht Verteidigungsminister Scharping in Mazedonien. Und Außenminister Fischer "dringt auf eine friedliche Lösung". Das wird Eindruck machen! Auch verspricht der innenpolitisch angeschlagene Außenamtschef, sich für die Unverletzlichkeit der mazedonischen Grenzen "einzusetzen" und will eine "diplomatische Lösung herbeiführen". Mit wem? Hat Fischer vor, auf den Burgberg über der Stadt Tetovo zu klettern und mit den dort verschanzten Partisanen zu feilschen?
Wer seit jeher am Sinn sogenannter "Friedenseinsätze" zweifelte, darf sich unheilvoll bestätigt fühlen. Sollten die Deutschen lediglich sich selbst verteidigen, wenn es richtig losgeht welchen Sinn hat dann ihre Anwesenheit? Sollen sie in die Kämpfe eingreifen mit welchem Kriegsziel? Als letzte Alternative bliebe der Abmarsch, der eigenen Haut zuliebe. Das aber sähe sehr nach Flucht aus und könnte vor Ort womöglich als Zeichen von Schwäche, ja Feigheit gedeutet werden, was unüberschaubare Konsequenzen nach sich ziehen würde. Bislang genießen deutsche Soldaten in der Region hohes Ansehen welches sie in einer Phase deutscher Militärgeschichte erwarben, mit der die Bundeswehr hochoffiziell nichts mehr zu tun haben will. Gleichwohl bildet jene Reputation aus vergangenen Tagen bis heute eine Art Schutzschild. Noch immer die Weltkriege vor Augen möchten selbst fanatische UÇK-Kämpfer mit deutschen Militärs lieber nicht aneinander geraten. Mit dieser Scheu könnte es nach einem fluchtartigen Abzug aus Tetovo schnell vorbei sein, was alle deutschen Soldaten auch im Kosovo zu spüren bekämen. Die Bundeswehr sitzt in einer Falle, die ihr eine verfehlte Berliner Politik gestellt hat.
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