|
Mehr als eineinhalb Jahre sind nun vergangen, seit Bundeskanzler Schröder seine "Agenda 2010" öffentlich vorstellte. Leider versäumte er es, den großen Worten unverzüglich Taten folgen zu lassen; das angekündigte - und angesichts des Zustands der Republik überfällige - Reformwerk wurde in monatelangen quälenden Diskussionen zerredet, bis dann endlich einzelne "Reförmchen" zaghaft umgesetzt wurden. Und selbst dabei gab es noch reihenweise Pannen und handwerkliche Fehler, mußte immer wieder geändert und "nachgebessert" werden. Einer der Eckpfeiler, von Schröder bereits am 14. März 2003 herausgestellt, war und ist die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslos enhilfe . Das Projekt wurde später unter dem Namen "Hartz IV" bekannt, was aber nichts daran ändert, daß sowohl die Betroffenen als auch mit der Umsetzung Betrauten seit 17 Monaten recht genau wissen, was da auf sie zukommt. Antragsformulare werden seit Juli 2004 verteilt. Nun aber werden uns in den Medien täglich erregte Menschen präsentiert, die fürchten, das neue Arbeitslosengeld II nicht pünktlich ausgezahlt zu bekommen. Dann aber erfährt man, daß etwa die Hälfte aller Betroffenen die Anträge noch gar nicht eingereicht hat. Da sollte man dann doch stutzig werden: Wie lange braucht ein durchschnittlich begabter, des Lesens und Schreibens kundiger Mensch, um ein 16seitiges Formular auszufüllen? Wieso hat jeder zweite Langzeitarbeitlose - um solche geht es ja bei "Hartz IV" - bislang noch keine Zeit dafür gehabt? Was hatten diese Leute in den letzten drei Monaten so Wichtiges zu tun, daß ihnen für die künftige Sicherung des eigenen Grundeinkommens die Zeit fehlte? Offenbar gibt es in unserem Lande immer noch zu viele Menschen, die nicht kapieren, wie ernst die Lage inzwischen ist, die nach dem bequemen Motto leben: "Alles bestreiten - außer dem eigenen Lebensunterhalt", die den Staat, die Gesellschaft oder wen auch immer für allzuständig erklären und selber für nichts, auch für das eigene Leben nicht verantwortlich sein wollen. Es ist ärgerlich, daß in den Massenmedien vor allem solche Menschen ein breites Forum finden, während die vielen anderen, die selber ihr Schicksal in die Hand nehmen wollen, die nicht nur herumjammern, auch wenn sie ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind, in der veröffentlichten Meinung kaum vorkommen. Andererseits kann dieses Ärgernis auch nicht von den vielen stümperhaften Fehlern bei der Umsetzung von "Hartz IV" ablenken. Zum Beispiel gibt es keine plausible Entschuldigung dafür, daß die Computerprogramme für die Bearbeitung der Anträge erst 17 Monate nach der Ankündigung dieser Reform vorliegen - und noch nicht einmal ausgereift sind. Haben da etwa die Lkw-Maut-Genies mitgewirkt? Gerade derartige Peinlichkeiten belegen, wie tief Deutschland inzwischen abgesunken ist. Das ist nicht mehr das Land der Dichter und Denker, der genialen Forscher, Entdecker und Erfinder. Und solange wir uns nicht auf einst als "typisch deutsch" geltende Eigenschaften wie Fleiß, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Verantwortungsbewußtsein, Gemeinsinn besinnen, sondern zulassen, daß "preußische Tugenden" als Schimpfwort gelten, werden wir aus dem Jammertal nicht herauskommen. Kritik an der Reformpolitik der Bundesregierung, so berechtigt sie im einzelnen sein mag, hilft allein auch nicht weiter, zumal in diesen Tagen nichts darauf hindeutet, daß die Opposition es besser machen könnte. Würden mehr Bürger fragen: "Was kann ich für mein Land tun?" statt immer nur "Was tut mein Land für mich?", dann wären wir mit den Reformen schon ein gutes Stück weiter.
|
|