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Die am 1. April 1939 vom Stapel gelaufene und am 25. Februar 1941 in Dienst gestellte "Tirpitz" stellte nicht nur den End-, sondern auch den Höhepunkt des Schlachtschiffbaus in Deutschland dar. Mit ihren schließlich 53.500 Tonnen Gewicht, 253,6 Metern Länge, 36 Metern Breite und 10,61 Metern Tiefgang war die "Tirpitz" sogar noch etwas größer als die legendäre "Bismarck".
Daß die "Tirpitz" weniger berühmt ist als ihre ältere Schwester, liegt maßgeblich daran, daß sie in keine Seeschlacht verwickelt war. Das mag damit zusammenhängen, daß Adolf Hitler nach dem Untergang der "Bismarck" der Psyche seines Volkes nicht auch noch den Verlust ihres Schwesterschiff es zumuten wollte, denn die nächst kleineren Marineeinheiten "Scharnhorst" und "Gneisenau" waren derart kleine Schlachtschiffe, daß sie mitunter gar nur als Schlachtkreuzer bezeichnet werden.
Für das Schicksal der "Tirpitz" ist jedoch zweifelsohne auch die Kriegslage von großer Bedeutung. Die mit dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges entstandene zweite Front mit ihren enormen Anforderungen an Personal und Material brachte die Deutschen im Westen in die Defensive. Hitler fürchtete eine britische Landung in Norwegen, und so verlegte neben anderen schweren Einheiten auch die "Tirpitz" an die norwegische Küste.
Dort sicherte die "Tirpitz" jedoch nicht nur Norwegen, sondern stellte auch eine zumindest potentielle Gefahr für die militärisch wichtigen Versorgungskonvois von Großbritannien nach dem sowjetischen Murmansk dar. Die "Tirpitz" brauchte noch nicht einmal anzugreifen - alleine durch ihre Existenz in der Nähe der Konvoiroute sahen sich die Briten gezwungen, ihre Konvois durch Großkampfschiffe zu sichern, die anderswo fehlten.
Sowohl die Royal Navy als auch die Royal Air Force (RAF) versuchten daher, die "Tirpitz" auszuschalten. Hierfür bedienten sie sich neben Klein-U-Booten vor allem träger- und landgestützter Bombenflugzeuge. Wie wichtig den Engländern die Ausschaltung der "Tirpitz" war, aber auch wie groß die materielle Überlegenheit der Alliierten mit den Jahren wurde, zeigen die folgenden Zahlen. In 20 Angriffen wurden gegen das größte deutsche Schlachtschiff fast 700 Flugzeuge einschließlich Begleitjäger eingesetzt, die 500 Bomben und Minen mit einem Gesamtgewicht von 600 Tonnen abwarfen und ein Dutzend Torpedos abfeuerten. Dabei büßten die Briten 31 Maschinen ein, denn die deutsche Flugabwehr war nicht untätig. Allein vom März 1942 bis August 1944 feuerte die Artillerie der "Tirpitz" 68.707 mal auf feindliche Maschinen einschließlich Sperrfeuer, 240 mal mit ihren 38-Zentimeter-, 1.547 mal mit ihren 15-Zentimeter-, 4.874 mal mit ihren 10,5-Zentimeter-, 6.864 mal mit ihren 3,7-Zentimeter- und 55.182 mal mit ihren Zwei-Zentimeter-Geschützen.
Den entscheidenden Erfolg brachte den Briten schließlich der Einsatz von "Tallboys". "Tallboy" (hohe Schlafzimmerkommode) war eine 5.454-Kilogramm-Bombe mit einer 2.318-Kilogramm-Torpexladung. In der RAF-Operation "Paravane" kamen die Spezialbomben gegen die "Tirpitz" erstmals zum Einsatz. Am 15. September 1944 flogen 27 "Lancaster"-Bomber mit 21 "Tallboys" einen Angriff. Dabei gelang ihnen ein folgenschwerer Nahtreffer. Eine der 5,4-Tonnen-Bomben detonierte zwischen zehn und elf Meter hinter dem Bug direkt neben der Steuerbordseite des Schiffes. Allein das Loch, das die Bombe in die Außenhaut riß, maß 9,7 mal 14,6 Meter. Der Bug war derart in Mitleidenschaft gezogen, daß das Schiff nicht mehr seetüchtig war. Da eine Reparatur mindestens ein Dreivierteljahr gedauert hätte, wurde beschlossen, die "Tirpitz" fortan nur noch als "Schwimmende Batterie" zu nutzen. Als neuer Standort wurde der Lyngenfjord vor der Insel Haaköy bei Tromsö gewählt. Notdürftigst provisorisch repariert, schleppte sich das Schiff aus eigener Kraft zu seinem neuen Ankerplatz. Eigentlich sollte das Wasser dort derart flach sein, daß ein Kentern und Sinken ausgeschlossen werden konnte, aber es war es nicht, was fatale Folgen haben sollte.
Am 29. Oktober erfolgte die Operation "Obviate". Diesmal kamen die Briten mit 32 "Lancaster"-Bombern. Und wieder gab es einen "Tallboy"-Nahtreffer. Nun detonierte die Bombe jedoch in etwa 15 Meter Entfernung von der Backbordseite und in Höhe der Ruderanlage. Das Schiff war nun manövrierunfähig.
Am 12. November 1944 erhielt die "Tirpitz" den Fangschuß. An der Operation "Catechism" waren 32 "Lanchester"-Maschinen mit 29 "Tallboys" beteiligt. Neben diversen Nahtreffern konnten die Angreifer diesmal auch einige Volltreffer landen. Einer von diesen durchschlug Backbord mittschiffs das Panzerdeck, detonierte im Kesselraum und riß eine vom Schlingerkiel bis zum Oberdeck reichende 14 Meter lange Öffnung in die Bordwand. Das hineinströmende Wasser bewirkte eine Backbordschlagseite von 15 bis 20 Grad. Durch nachfolgende Nahtreffer vergrößerte sich dieser Wert in den folgenden Minuten auf 70 Grad. Dann erreichte ein durch einen Nahtreffer ausgelöster Schiffsbrand das Magazin des C-Turmes und brachte dieses zur Explosion. Zwei Minuten nach der Detonation, die den Turm in die Luft fliegen ließ, das heißt um 9.52 Uhr, kenterte die "Tirpitz" auf einen Winkel von 135 Grad.
Mit dem Kentern der "Tirpitz" verloren nicht nur zwischen 1.000 und 1.200 ihrer Besatzungsmitglieder ihr Leben, sondern auch die deutschen Streitkräfte ihr letztes im Dienst befindliche Schlachtschiff. Die "Bismarck" war bereits am 27. Mai 1941 gesunken, die "Gneisenau" nach einem verheerenden Fliegerangriff am 1. Juni 1942 auf unabsehbare Zeit außer Dienst gestellt worden und die "Scharnhorst" am 26. Dezember 1943 untergegangen. Was noch an schweren Einheiten unterhalb der Schlachtschiffsebene im einsatzfähigen Zustand verblieben war, wurde in die Ostsee verlegt, wo mit der Evakuierung von ostdeutschen Flüchtlingen vor der vordringenden Roten Armee die letzte große Aufgabe auf sie wartete.
Das Ende: Die gekenterte "Tirpitz" wird abgewrackt. /font>
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