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Die Ambrosiano-Affäre: Tod im Vatikan

 
     
 
Zum Zusammenbruch der ehemals größten Privatbank Italiens, der Banco Ambrosiano, und zu den Verstrickungen der Vatikanbank (OR) in illegal Finanzoperationen gibt es inzwischen eine Reihe von Büchern.

Den Auftakt machte 1984 der umstrittene britische Journalist David Yallop mit seine Buch "Im Namen Gottes". Es folgte "His Holiness" (1997) der Autore Carl Bernstein und Marco Politi. Schließlich muß in diesem Zusammenhang auch das Buc "Die heilige Mafia des Papstes" (1996) des in der Schweiz lebenden kanadische Journalisten Robert Hutchison erwähnt werden. Wer aber glaubt, damit ist das Them erschöpfend abgehandelt, sieht sich getäuscht. Die beiden Journalisten Heribert Blondia und Udo Gümpel haben soeben ein neues Buch mit dem Titel "Der Vatikan heiligt die Mittel" vorgel
egt, das sich erneut mit den Umständen des Todes Roberto Calvis, de "Bankiers Gottes", auseinandersetzt.

Im Mittelpunkt stehen im wesentlichen zwei Fragenkomplexe. Einmal geht es um die Erhärtung der These vom politischen Mord an Roberto Calvi, dessen Tod ursprünglich als Selbstmord bewertet wurde. Zum anderen wird eine heimliche Achse zwischen dem ehemalige US-Präsidenten Ronald Reagan und Papst Johannes II. ausgemacht, die Lech Walesa Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" massiv unterstützt habe. Calvi habe in diesem Zusammenhang eine hervorgehobene Rolle gespielt, die ihn nach Übereinstimmun aller oben genannten Autoren das Leben kostete.

Roberto Calvi wurde 1971 geschäftsführender Direktor der Banco Ambrosiano. Im selbe Jahr fand Calvi bereits Aufnahme in den Kreis der "Vertrauensmänner" de Vatikans. Eingefädelt wurde diese Aufnahme angeblich durch Sindona, dem Vorgänger Calvi als "Bankier Gottes". Ihm werden Mafia-Kontakte vorgeworfen. Von Anfang an sol Calvi eine Schlüsselrolle im Zusammenhang mit den illegalen Finanzgeschäften de Vatikans gespielt haben. Auf diesen Abschnitt der Karriere Calvis gehen Gümpel un Blondiau nicht ein, was wahrscheinlich zu einem unvollständigen Bild seiner Perso führen muß.

Die Geschäfte der Banco Ambrosiano, in der Calvi seit 1975 die Rolle des Präsidente und Geschäftsführers des Verwaltungsrates einnahm, waren auf das engste mit de Vatikanbank verzahnt. Wie eng, das zeigte sich im Zusammenhang mit dem sogenannte "Crack Sindona", dem Zusammenbruch der Banken Sindonas im Jahre 1974, die zu einem Verlust von etwa 300 Millionen Dollar führten. Dieser Zusammenbruch hatte auch fü Calvi Folgen, der eng mit Sindona zusammenarbeitete. Calvi hatte nach dem "Crac Sindona" erhebliche Schwierigkeiten, auf dem internationalen Geldmarkt noch Kredit zu erhalten. Dazu kam, daß die Nachfrage nach den Aktien seiner Bank spürba nachzulassen begann, was einen erheblichen Kursrückgang zur Folge hatte.

In dieser für Calvi brenzligen Situation trat mit der Suprafin AG eine Firma in Erscheinung, die die angeschlagene Bonität Calvis nicht im geringsten zu beunruhige schien. Diese kaufte nämlich unentwegt Aktien der Banco Ambrosiano auf, um sie dann a Firmen in Liechtenstein und Panama weiterzuverkaufen, wie Gümpel und Blondia herausgefunden haben wollen. Zwei der beteiligten Liechtensteiner Firmen gehörten ihre Informationen zufolge der Vatikanbank, deren Tochter die Suprafin war, die wiederu praktisch Calvi gehört habe. Somit hätte Calvi mit vollem Wissen der Vatikanbank de Kurs der Ambrosiano-Aktien durch massive Stützungskäufe stabilisiert. Finanziert worde sei dieses illegale Vorgehen durch internationale Kredite, die die Suprafin aufgenomme habe, sowie aus der Kasse der Banco Ambrosiano selbst. Calvi habe sich der Vatikanban gegenüber, die ihren Namen und ihre Einrichtungen zur Verfügung stellte, mehr als erkenntlich gezeigt, wie Gümper und Blondiau behaupten. Jahr für Jahr habe die Vatikanbank hohe Geldbeträge für ihr "kooperatives" Verhalten bekommen.

Diesem Spiel drohte den beiden Autoren zufolge mit dem Beginn des Pontifikates vo Johannes Paul I. ein jähes Ende. Es dürfe als gesichert gelten, daß dieser Paps beabsichtigte, den Präsident der Vatikanbank, Paul Marcinkus, abzusetzen. Es wäre dan nur noch eine Frage der Zeit gewesen, so die beiden Vatikan-Kenner, bis die illegale Finanzgeschäfte zwischen der Vatikanbank und der Banco Ambrosiano ans Tageslicht gekomme wären. Für Calvi wäre dies laut Blondiau und Gümper das Ende gewesen. Daß Johanne Paul I. am Vorabend weitreichender Personalentscheidungen an "Herzschlag" gestorben ist, hat ohnedies die Vermutung genährt, daß dessen Tod so plötzlich nich kam, sondern daß bestimmte Kreise ein hohes Interesse an seinem Ableben gehabt hätten Es sei in diesem Zusammenhang nur angemerkt, daß der venezianische Leibarzt des Papste diesen vor dessen Konklave eingehend untersucht hatte und bei dem rüstige Dolomitenwanderer nicht die geringste Spur einer Herzkrankheit hatte feststellen können.

Die oben genannten Autoren Yallop und Hutchison sehen denn auch einen enge Zusammenhang zwischen den obskuren Finanzgeschäften des Vatikans und dem vorzeitigen To von Johannes Paul I. Plötzlicher Herzinfarkt scheint im übrigen eine im Vatikan gängig Todesursache zu sein. Auch der rüstige Kardinal Benelli, den Johannes Paul II. zu Staatssekretär des Vatikans machen wollte, starb 1982 an Herzinfarkt. Es ist derselb Kardinal, der Johannes Paul II. knapp unterlag und der immer wieder eine besser Finanzkontrolle der Vatikanbank einforderte. Unter Johannes Paul II. wurden all personellen Veränderungen, die Johannes Paul I. ins Auge gefaßt hatte, zurückgenommen Die intensive Zusammenarbeit zwischen der Banco Ambrosiano und der Vatikanbank endete ers mit dem Zusammenbruch der Ambrosiano und dem Tod Calvis im Jahre 1982.

Diese Vorgänge scheinen höchst bedeutsam für eine Gesamteinschätzung des Todes vo Roberto Calvi. Gümpel und Blondiau lassen diesen Komplex jedoch ohne Begründung aus. Si beschäftigen sich statt dessen mit der Erhärtung der These vom Mord an Roberto Calvi dessen letzten Monate sie minutiös nachzeichnen. Ausgangspunkt der Ereignisse ist ei Loch von 1,3 Millionen Dollar in der Banco Ambrosiano, die die Bank laut eigene Unterlagen an Briefkastenfirmen in Luxemburg und Lateinamerika vergeben haben soll. Unkla ist, wer die Empfänger dieser Gelder sind und welche Garantien Calvi hatte.

Roberto Calvi geriet nach Gümpel und Blondiau unter massiven Druck, als zunächst die Börsenaufsichtsbehörde Consob ihm die bindende Auflage erteilt habe, eine lückenlos Liste der Aktionäre der Banco Ambrosiano vorzulegen. Dann forderte die staatlich Bankenaufsicht laut den Autoren eine Erklärung für den Verbleib der Kredite, dere Empfänger über verschiedene Tochtergesellschaften der Vatikanbank schließlich die Vatikanbank selbst gewesen sein soll. Der Vorstand der Banco Ambrosiano beschloß demnac gegen den Widerstand Calvis, der Forderung der Bankenaufsicht nachzukommen. Calvi hab daraufhin versucht, die Vatikanbank in Gestalt von Erzbischof Paul Marcinkus unter Druc zu setzen, um, so die Buchautoren, die Probleme mit ihm zusammen zu lösen. Nach eine heftigen Zusammenstoß mit dem Geschäftsführer der Vatikanbank, Luigi Menini, habe Calv mit einem Riesenskandal gedroht: "Wenn ich auspacke, dann werden die Priester de Petersdom verkaufen müssen, dann wird kein Stein im Vatikan mehr auf dem andere bleiben", soll er geäußert haben.

Calvi tauchte dann den Angaben von Blondiau und Gümpel folgend mit einer Reihe vo Dokumenten, die die Vatikanbank auf das schwerste belasteten, unter. Sein Weg hat ih angeblich zunächst nach Österreich geführt, wo er gegenüber seinem vermeintliche "Freund" und Geschäftspartner Flavio Carboni, einen der jetzt angeklagte mutmaßlichen Mörder Calvis, "immer wieder von den massiven Hilfen sowohl in Nicaragua als auch in Polen" gesprochen habe. Weiter habe sich Calvi darübe beschwert, daß Erzbischof Marcinkus "hundert Millionen Dollar unerlaubt aus eine gemeinsamen Firma entnommen" habe, "um sie an die ,Solidarnosc" weiterzugeben. Calvi habe die Erwartung geäußert, daß der Vatikan seine Verpflichtungen nachkomme und der Banco Ambrosiano helfe. Hier dürfte denn auch das Moti für die mutmaßliche Ermordung Calvis liegen. Darin sind sich alle Autoren, die au diesem Feld gearbeitet haben, einig.

Dieser Befund führt zu Johannes Paul II. und dessen Mission, wie Gümpel und Blondia unter Rückgriff auf die Thesen der oben bereits genannten Autoren Bernstein und Polit behaupten. Die Wahl des Krakauer Kardinals Karol Wojtila soll nicht Zufall, sonder Programm gewesen sein. Entscheidend an der Wahl seien der deutsche Episkopat und die CI beteiligt gewesen. In geheimer Abstimmung mit Ronald Reagan soll der gegenwärtige Paps entscheidend zur Stärkung der "Solidarnosc" beigetragen haben, um auf dies Weise Polen als Satellit der Sowjetunion mehr und mehr zu destabilisieren. Polen sollte s etwas wie der erste Dominostein werden für den Zusammenbruch des gesamten Ostblocks.

Um dieses Ziel zu erreichen, herrschte offenbar eine rege Geheimdiplomatie zwischen de Papst und dem US-Außenministerium. Voraussetzung für die Destabilisierung Polens wa allerdings, daß die Sowjets in Polen nicht eingriffen. Hier gelang es den USA, wie e heißt, Moskau mit der Drohung, daß eine Invasion Polens das Ende der Politik des Dialog bedeuten würde, außen vor zu halten. Der Welt gegenüber mußte allerdings das Bild de Unabhängigkeit des Vatikans von politischem Einfluß Washingtons gewahrt bleiben, so die Autoren. Diese Unabhängigkeit war eine wichtige Voraussetzung für die Einflußnahme de Heiligen Stuhls in Polen. Bernstein zufolge soll dem Papst weiter daran gelegen gewese sein, daß die "Solidarnosc" eine Untergrundbewegung bleibt. Den Mitgliedern de polnischen Gewerkschaftsbewegung sollten zu diesem Zweck aus einem päpstliche Sonderfonds erhebliche Geldmittel zur Verfügung gestellt worden sein. Geldmittel, a deren Bereitstellung Roberto Calvi erheblichen Anteil gehabt haben soll.

Laut dem oben genannten Robert Hutchison spielte in diesem Zusammenhang das Opus Dei das unter Johannes Paul II. einen großen Aufschwung genommen hat, eine exponierte Rolle Gümpel und Blondiau streifen das Opus allerdings nur am Rande, was einer der Mänge dieses Buches ist. Das Opus soll nach Hutchison die Finanzierung de "Solidarnosc" in der Hand gehabt und Kontakte zum damaligen katholische CIA-Chef William Cassey aufgenommen haben, der von Reagan beauftragt gewesen sei, die Politik der USA gegenüber Polen zu koordinieren.

Auch in der Banco Ambrosiano soll das Opus Dei seine Hände im Spiel gehabt haben. Lau Hutchison wollte das Opus die Bank wegen der Finanzströme nach Nicaragua (Finanzierun der Contra-Rebellen) und Polen (Finanzierung der "Solidarnosc") kontrollieren Schlüssel zum Ganzen soll die panamaische Scheinfirma United Trading gewesen sein, die Calvi im Namen der Vatikanbank vom Züricher Anwalt Arthur Wiederkehr übernommen hatte Wiederkehr, damals panamaischer Honorarkonsul und Chef der Nordfinanz-Bank, sei damals de Geschäftspartner verschiedener Opus-Bankiers gewesen, so Hutchinson. Im Unterschied zu Yallop und auch Gümpel und Blondiau legt Hutchison den Akzent also weniger auf de Erzbischof Marcinkus, sondern auf das Opus Dei. Eine These, die in dem neuen Buch vo Gümpel und Blondiau noch nicht einmal angesprochen wird. Hier liegt denn auch das Mank des Buches. Es gibt weder eine Auseinandersetzung mit den Thesen anderer Autoren noc einen Hinweis auf einschlägige Publikationen, die dieser Neuerscheinung vorangegange sind.

Gümpel und Blondiau sehen vor dem Hintergrund ihrer Recherchen drei Motive für die Ermordung Calvis: Einmal habe der Vatikan das Wissen Calvis um die illegale Finanzgeschäfte des Vatikans fürchten müssen. Dies um so mehr, als er kurz vor seine Tod eine Reihe von belastenden Dokumenten mit sich herumgetragen habe, die die mutmaßlichen Mörder – dies sei an dieser Stelle noch eingeflochten – de Vatikan, nachdem sie dieser Dokumente habhaft werden konnten, stückweise verkauf hätten. Die CIA habe ein gewichtiges Motiv gehabt, Calvi zu beseitigen, weil dieser de Erfolg des Coups in Polen hätte bedrohen können, so Blondiau und Gümpel. Und: USA un Vatikan zusammen hätten um den Erfolg der "Solidarnosc" gefürchtet, wenn Calv auspacke. Gewichtige Motive, so scheint es nach den Autoren von "Der Vatikan heilig die Mittel", für den Tod des Bankiers am 18. Juni 1982 an der Londoner Black-friar Bridge.

Heribert Blondiau/Udo Gümpel: Der Vatikan heiligt die Mittel. Mord am Banker Gottes Patmos-Verlag, Düsseldorf 1999, geb., 252 Seiten, 39,80 DM

Weiter sind zum Thema erschienen:

Robert Hutchison: Die heilige Mafia des Papstes. Der wachsende Einfluß des Opus Dei Droemer-Verlag, München 1998, TB, 624 S. 19,90 DM

David Yallop: Im Namen Gottes, Droemer-Verlag, München 1988, TB, 452 S., 15,90 DM

 
     
     
 
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