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Seit der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945 war Nordwestdeutschland entsprechend den Teilungsplänen der alliierten Bezwinger Deutschlands britische Besatzungszone. Schnell schufen die Briten Fakten, die dann von den Deutschen nachvollzogen wurden. Die englische Zone mit ihrem Zentrum Bad Oeynhausen umfaßte drei "Corps Districts" (Militärverwaltungsbezirke). Der Verwaltungsbezirk des XXX. Corps umfaßte die preußische Provinz Hannover sowie die Reichsländer Braunschweig und Oldenburg. An der Spitze stand Brigadegeneral John Lingham mit Sitz in Hannover. Wir haben also bereits hier einen Zusammenschluß von Hannover, Braunschweig und Oldenburg mit Hannover als Zentrum. Es fehlt noch Schaumburg-Lippe, das noch zum westfälischen Militärverwaltungsbezirk gehörte. Hier erfolgte die Wende mit dem Datum vom
15. Mai 1946, als das Reichsland - ohne dadurch seinen Landesstatus zu verlieren - entsprechend aus der Einwohnerschaft vorgetragenen Wünschen der Aufsicht des Oberpräsidenten von Hannover unterstellt wurde, soweit dieser die zentralen Reichsaufgaben wahrnahm. Damit waren die Grenzen des späteren Niedersachsen gezogen und seine Metropole bestimmt.
Am 17. September 1945, also über ein Jahr vor der Gründung Niedersachsens, teilte Lingham dem hannoverschen Oberpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf sowie den Ministerpräsidenten Oldenburgs und Braunschweigs, Theodor Tantzen und Hubert Schlebusch, mit, daß die preußische Provinz und die beiden Länder für "Zwecke der Militärregierung" zur "Region Hannover" zusammengefaßt würden. Das war Wasser auf die Mühlen Kopfs, dem schon vor der NS-Zeit ein Großhannover vorgeschwebt hatte, das er "Niedersachsen" nannte.
So schlossen bereits zwölf Tage nach der Mitteilung des britischen Brigadegenerals die Provinz und die beiden Länder einen "Staatsvertrag", der die Bildung einer gemeinsamen "Länderregierung für Reichsaufgaben in Niedersachsen" vorsah. Am 11. Oktober gab Lingham Kopf jedoch zu verstehen, daß der Begriff "Vertrag" unangebracht sei, da die Deutschen nicht in einer Lage seien, "in der sie von sich aus die Verhältnisse regeln können".
Wenn die Engländer auch keinen Zweifel darüber aufkommen lassen wollten, wer hier Herr im Haus war, so waren sie sich doch mit Kopf im großhannoverschen / niedersächsischen Ziel einig. Mit ihrem "Befehl zur Erleichterung enger Zusammenarbeit zwischen der Militärregierung Hannover und der Provinz Hannover, dem Lande Braunschweig und dem Lande Oldenburg" bildete die Militärregierung am
18. Oktober einen "Hannover Regional Council" aus dem Oberpräsidenten und den beiden Ministerpräsidenten. Der Hannoveraner wurde dabei insofern als Erster unter Gleichen herausgehoben, als er den Vorsitz erhielt. Als im Dezember noch der Senatspräsident Bremens dazukam (das allerdings ebenso wie Hamburg selbständig blieb), wurde aus dem "Gebietsrat Hannover" der "Gebietsrat Niedersachsen", wurde der spätere Landesname also offiziell. Die Engländer beauftragten diesen Gebietsrat, Vorschläge für eine territoriale Neuordnung der britischen Besatzungszone zu machen.
Den gleichen Auftrag erteilten die Besatzer dem von ihnen am 15. Februar 1946 aus acht Delegierten der politischen Parteien, sechs Länder- beziehungsweise Provinzchefs, elf Vertretern der Zonenverwaltungsämter sowie je zwei Vertretern der Gewerkschaften und der Genossenschaften gegründeten "Zonal Advisory Council" (Zonenbeirat), der hierzu extra einen Sonderausschuß zu bilden hatte. Die britische Vorgabe, daß es nicht mehr als fünf Länder geben dürfe, wirkte insofern präjudizierend, als sie angesichts der Größe der britischen Zone für eine Aufteilung der "Region Hannover" in mehrere Länder kaum Raum bot.
Einen weiteren Schritt in Richtung Niedersachsen geht die britische Militärregierung am 23. August 1946. Um auf preußischem Boden das Land Nordrhein-Westfalen gründen zu können, erklärt sie mit der Verordnung Nummer 46 für ihre Zone "die Provinzen des Landes Preußen" als aufgelöst. Die preußischen Provinzen in Westfalen und am Rhein, soweit sie auf dem Territorium der englischen Zone liegen, werden zu NRW zusammengefaßt, während Schleswig-Holstein und Hannover den Status von Ländern erhalten. Damit ist Hannover nach 80 Jahren Zugehörigkeit zu Preußen wieder selbständig sowie Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe endlich protokollarisch gleichgestellt, was sein Renommee und seine Handlungsfreiheit erhöht. Entsprechendes gilt für seinen Oberpräsidenten, der sich nun auch wie der Oldenburger, der Braunschweiger und der Schaumburg-Lipper Ministerpräsident nennen darf.
Am 20. September 1946 begann um 9 Uhr die entscheidende Sitzung des Zonenbeirates, sofern man Deutschen in dieser Zeit überhaupt eine entscheidende Bedeutung beimessen kann. Sechs Vorschläge des Sonderausschusses standen zur Wahl. Als einziger dachte der deutsche Patriot und Westpreuße Kurt Schumacher überregional. Angesichts der Größe und Bedeutung des gerade gegründeten Nordrhein-Westfalen schlug er aus Gründen der Ausgewogenheit vor, den Rest der britischen Zone zu einem einzigen Land zu vereinen. Die übrigen Vorschläge waren klassisch lokalpatriotisch geprägt. Aus NRW kam der Vorschlag, die Neugründung auf Kosten des Nachbarn "Region Hannover" zu vergrößern. Den Hamburgern und Bremen war nur wichtig, daß ihre Stadtstaaten selbständig blieben. Oldenburg und Braunschweig wollten gleichfalls selbständig bleiben und sich auf Kosten ihres Nachbarn Hannover arrondieren, um ihren Anspruch auf Gleichwertigkeit zu untermauern. Und der Hannoveraner Kopf verfolgte seinen alten Niedersachsenplan. Neben dem hansestädtischen Vorschlag der Beibehaltung der Stadtstaaten erhielt auch Kopfs Niedersachsenplan eine Mehrheit.
Nachdem die Besatzungsmacht über das Abstimmungsergebnis ordnungsgemäß informiert worden waren, ließ sie dem Zonenbeirat am 23. Oktober 1946 durch den stellvertretenden Militärgouverneur Sir Brian Robertson ihre Entscheidung wissen: "Nach eingehenden Überlegungen sind wir zu dem Schluß gekommen, daß die von Ministerpräsident Kopf vorgebrachte Lösung die beste Basis zur Befriedigung aller und für die Verwaltung abzugeben scheint." Mit Wirkung vom 1. November 1946 gründeten die Briten mit der Verordnung Nummer 55 Niedersachsen.
Verordnung Nummer 55 der britischen Militärregierung (Bildung des Landes Niedersachsen)
Zwecks Umgestaltung der Länder innerhalb der britischen Besatzungszone wird hiermit folgendes verordnet:
Artikel I) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung verlieren die in der Anlage zu dieser Verordnung bezeichneten Länder [Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Schaumburg-Lippe] ihre Selbständigkeit als Länder und werden Teile eines neuen Landes, welches die Bezeichnung "Niedersachsen" führt.
Artikel II) Die Hauptstadt Niedersachsens ist Hannover.
Artikel III) Vorbehaltlich der Vorschriften gesetzlicher Bestimmungen, die auf Grund dieser Verordnung erlassen werden, wird die vollziehende Gewalt in Niedersachsen von einem Ministerium ausgeübt, dessen Vorsitzender die Bezeichnung "Ministerpräsident" führt.
Artikel IV) Der Ministerpräsident und die übrigen Mitglieder des Ministeriums werden vorläufig vom Militärgouverneur ernannt.
Artikel V) Im Lande Niedersachsen wird eine gesetzgebende Körperschaft errichtet. Einstweilig bestimmt der Militärgouverneur die Zusammensetzung dieser Körperschaft und ernennt deren Mitglieder.
Artikel VI) Die gesetzlichen Bestimmungen über Änderung auf dem Gebiet der Verfassung, der Amtsbezeichnungen, der Verwaltung und der Finanzen, sowie auf sonstigen Gebieten, die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlich oder angebracht sind, werden von der Militärregierung oder mit deren Zustimmung von der gesetzgebenden Körperschaft des Landes erlassen.
Artikel VII) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung und anderer gesetzlicher Vorschriften, die auf Grund dieser Verordnung erlassen werden sollten, werden durch den Verlust der Selbständigkeit der Länder, die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführt sind, nicht berührt: a) die Befugnisse, Aufgaben, Pflichten, Rechte, Verbindlichkeiten sowie die Haftung von Regierungs-, Verwaltungs- und sonstigen öffentlichen Behörden und von Beamten und Angestellten der Länder, b) die Rechtsgültigkeit von Gesetzen, Verordnungen, Erlassen, Bestimmungen und sonstigen Vorschriften, die in den Ländern in Kraft sind.
Artikel VIII) Diese Verordnung tritt am 1. November 1946 in Kraft. |
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