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Die Hure von Paris

 
     
 
Von November 1997 bis April 1998 war Frau Deviers-Joncour, die vormalige Freundin des französischen Außenministers Dumas, der Mitterrand treue Dienste leistete, inhaftiert. Frankreichs Politik scheint ohne eine Affäre à la Pompadour nicht auszukommen. Im April wurde die Dame für gewisse Stunden des Herrn Dumas mit der Auflage auf freien Fuß gesetzt, eine Kaution von 1 Million Franc zu hinterlegen. Diesen Betrag besaß sie nicht (mehr), weshalb sie auf die nicht ganz abwegige Idee verfiel, ihre Memoiren zu schreiben.

Als bedeutsame Mitwisserin von Herrschaftswissen aus den Kloaken dunkler Politikermachenschaften und schmieriger Aktionen der Hochfinanz verfaßte sie "La Putain de la Republik"("Die Hure der Republik". Ihre Informationen waren wohl so brisant
, daß sie laut "Le canard Enchaine", einer französischen Wochenzeitung, die auf Enthüllungen spezialisiert ist, sofort einen Vorschuß von 400 00 Franc von ihrem Verlag, der Verlagsanstalt "Calmann-Levy", die ansonsten zumeist seriöse Bücher veröffentlicht, erhielt. Zudem kassierte sie von dem Massenmagazin "Paris-Match" 600 000 Franc für die Veröffentlichung privater Lichtbildaufnahmen.

Auch die regierungsfreundliche Tageszeitung "Le Monde" hat sofort nach dem Erscheinen des Werks von Frau Deviers-Joncour große Schlagzeilen gemacht, obwohl die Auszüge, die in "Paris-Match" zu lesen waren, noch nicht besonders aufsehenerregend waren. Als Freundin Dumas’ hatte Frau Deviers-Joncour vom Konzern Elf-Aquitaine, der in Mitteldeutschland das Monopol in Sachen Tankstellen besitzt und dort auch in eine dubiose Bestechungsaffäre verwickelt war, den Auftrag erhalten, den Außenminister so zu beeinflussen, daß die weltweit ausgerichteten Interessen des Konzerns und seiner Unterabteilungen in besonders herausgehobener Weise durch die französische Politik befördert werden.

Ins Visier der Untersuchungsrichterinnen Eva Joly und Laurence Vichnievsky ist so etwa der Rüstungskonzern Thomson geraten, der sechs Fregatten an Taiwan verkauften wollte und durch eine entsprechende Intervention Roland Dumas‚ der sie zunächst politisch im Sinne der Interessen Pekings entschied, ins Abseits gedrängt wurde. Anfang 1990 aber wurde Frau Deviers-Joncours von Elf-Aquitaine, das Thomson seine guten Vermittlerdienste angeboten hatte, als Missionsbeauftragte eingestellt. Ihr Auftrag war, bei Roland Dumas für den Thomson-Konzern zu antichambrieren. Im September 1991 wurde der Verkauf der Fregatten an Taiwan unter Dach und Fach gebracht, und mit hoher Wahrscheinlichkeit kassierte Frau Deviers-Joncour 59 Millionen Franc Provision. In einem Interview mit "Le Figaro" erklärte Roland Dumas, eine solche Provision würde nur im Einverständnis mit dem Elysée-Palastes gezahlt werden. Doch diese Nebelbomben halfen wenig. Bereits im April 1998 wurde Roland Dumas wegen Veruntreuung von Geld beschuldigt, aber bei Zahlung einer Kaution von fünf Millionen Franc auf freien Fuß gelassen. Derzeit ist der einstige Außenminister Vorsitzender des Verfassungsrats der Republik.

Abgesehen von den juristischen Straftatbeständen ist diese ganze Affäre kennzeichnend für den Stand der politischen Sitten in Frankreich, insbesondere nach dem Ende der Präsidentschaft des Begründers der Fünften Republik, Charles de Gaulles. De Gaulle und seine Frau, die die Gaullisten "Tante Yvonne" genannt hatten, mißtrauten sehr den gelockerten Sitten der Politiker der Dritten und Vierten Republik. Seit seinem Abgang haben sich die Sitten nahezu vollständig verändert und eine öffentlich bekannt gewordene Scheidung oder ein Seitensprung werden in Paris nicht mehr als ein Hindernis für eine politische Karriere betrachtet. Immerhin belegt der Fall Deviers-Joncour, daß die Zeit von "Beraterinnen" von Politikern in Frankreich nicht vergangen ist.

Wie das linksliberale Magazin "L’Evénement du Jeudi" erinnert, ist die Zeit noch nicht so lange vorüber, als die Freundin des Premierministers Paul Reynaud, der während des Debakels von 1940 an der Regierung war, dem Ministerrat vorstand. Das geflügelte Wort bei den Polizisten bei der Suche nach einem Motiv: "Suchen Sie nach der Frau", findet seine Anwendung immer noch auch in der französischen Politik.

 

 
     
     
 
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