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Taiwan: Opfer der Doppelmoral

 
     
 
Schnell waren die wichtigen Staaten der Welt zur Stelle, die USA an der Spitze, gefolgt von Japan und Deutschland. Sie verkündeten unisono ihr Festhalte an der "Ein-China-Politik". Dabei hatte Peking nur seine Drohungen wiederholt Taiwan notfalls mit Waffengewalt davon zu überzeugen, daß es sich keinesfalls als unabhängiger Staat "outen" dürfe.

China ist de facto seit 1949 geteilt. Vor fünfzig Jahren rief Mao Tse-tung auf de Festland seine kommunistische Volksrepublik aus, während sich Tschiang Kai-schek mit meh als zwei Millionen Soldaten und Zivilisten auf die Insel Taiwan (Formosa) zurückzog un die 1912 gegründete Republik China fortführte.

Realität ist also, daß sich in den vergangenen fünfzig Jahren zwei chinesisch Staaten sehr unterschiedlich voneinander entwickelten. Während die Volksrepubli versucht, den Spagat zwischen einem kommunistischen totalitären Regime und einer Ar "sozialer Marktwirtschaft" zu vollziehen, war es in Taiwan möglich, sowoh wirtschaftlichen Wohlstand als auch politische Freiheit zu erreichen.

Die neuerliche Aufregung war durch ein Interview ausgelöst worden, das der Präsiden der Republik China auf Taiwan, Lee Teng-hui, der "Deutschen Welle" am 9. Jul 1999 gegeben hatte. Lee hatte darin gesagt: "Die historische Realität ist, daß die Volksrepublik China nach ihrer Gründung 1949 niemals die Herrschaft über Taiwan, Penghu Kinmen und Matsu ausgeübt hat, Gebiete, die der Verwaltungskontrolle der Republik Chin unterstehen. Seit der Verfassungsänderung von 1991 befinden sich die Beziehungen übe die Taiwanstraße auf einer zwischenstaatlichen Ebene, zumindest ist es ein besondere zwischenstaatliches Verhältnis."

Die Formulierung "zwischenstaatlich" genügte Peking, Lee Teng-hui als Verbrecher und Verräter zu bezeichnen und Taiwan für den Fall eine Unabhängigkeitserklärung mit Invasion zu drohen. Die Atmosphäre wurde noch angeheiz durch die Nachricht, China könne eine Neutronenbombe bauen. Prompt fielen die Aktienkurs sowohl in Taiwan als auch auf dem Festland. Dabei unterstützen rund 73 Prozent de taiwanesischen Bürger die Meinung ihres Präsidenten und finden, da "zwischenstaatlich" die richtige Umschreibung der Verhältnisse ist, 88 Prozen sehen in Taiwan keine Provinz des Festlandes.

Einig sind sich Regierung und Bevölkerung
auch darin, daß es eine Wiedervereinigun nur unter demokratischen Vorzeichen geben kann. In Taiwan will niemand Freiheit Demokratie und wirtschaftliches Wohlergehen gegen eine Wiedervereinigung unte kommunistischer Herrschaft eintauschen.

Wenn Präsident Lee auch von "besonderen zwischenstaatlichen" Beziehunge spricht, so verneint er "ein China" keineswegs. Für die Regierung in Taipe bedeutet "ein China" eine kulturelle, historische und geographische Einheit, die zur Zeit aber geteilt ist, und zu gegebener Zeit unter demokratischen Vorzeiche wiedervereinigt werden wird. Und hier beginnen schon die grundlegenden Differenze zwischen Peking und Taipeh – in den Auffassungen über "ein China".

Peking ist nämlich der Ansicht, "ein China" bedeute, daß die Regierung de Volksrepublik die einzige legitime Regierung des ganzen China sei, die eben auch Taiwa repräsentiere. Auch wenn es sich hier um – wie es in Peking heißt – ein abtrünnige Provinz handelt. Jeder Schritt Taiwans in Richtung Unabhängigkeit bedeute deshalb für Peking eine unerträgliche Provokation.

Diesen Standpunkt übernimmt fast die gesamte Weltöffentlichkeit. Nur noch 28 Staate weltweit unterhalten diplomatische Beziehungen zu Taipeh. Auf Druck Pekings verschließe die Staaten, welche die demokratischen Werte auf ihre Flagge geschrieben haben, eine demokratischen Land wie Taiwan den Zutritt zur internationalen Völkergemeinschaft un verwehren ihm die Mitarbeit in internationalen Organisationen wie der Uno und ihre Unterorganisationen. Dabei zeigte gerade das deutsche Beispiel der Jahre 1973 bis 1990 daß die Mitgliedschaft sowohl der Volksrepublik China als auch der Republik China in de Vereinten Nationen eine künftige staatliche Einigung nicht ausschließt.

Schon im Oktober sollte der Pekinger Chefunterhändler Wang Daohang als Verteter de halboffiziellen "Association for the Relations across the Taiwan Straits" (ARATS) im Auftrag Pekings Taiwan besuchen. Daraus wurde bislang jedoch nichts und ob de Besuch jetzt noch zustande kommt oder nicht, ist ziemlich unklar. Wang wollte den Besuc von Koo Chenfu, seinem Gegenpart von der taiwanesischen "Straits Exchang Foundation" (SEF) erwidern, der im Oktober vergangenen Jahres in Peking war. Die beiden Organisationen waren gegründet worden, um eine Basis für Kontakte zu schaffen. I Frühjahr 1993 waren Koo und Wang erstmals zu Gesprächen zusammengetroffen. 1995 hatt Peking jedoch jeglichen Gesprächskontakt abgebrochen aus Verärgerung über die USA-Reis von Präsident Lee Teng-hui.

Mit Koo betrat der ranghöchste Repräsentant Taiwans seit 1949 das Festland und setzt der dreijährigen Funksstille zunächst ein Ende. Allerdings brachten die Sondierunge keine Annäherung in der wichtigen Frage des Status der Republik China auf Taiwan.

Während sich der politische Graben zwischen dem Festland und Taiwan offensichtlic nicht überbrücken läßt, entwickelt sich auf wirtschaftlichem Gebiet eine imme intensivere Zusammenarbeit. Auch die Kontakte in den Bereichen Kultur, Bildung, Medien un vor allem die Besuche auf dem Festland haben sehr zugenommen. Von 1987 bis Ende 199 reisten Bürger aus Taiwan 11,7 Millionen mal auf das Festland.

Taiwan gehört zu den wichtigsten Investoren auf dem Festland. Durch verschieden Maßnahmen machte es Taipeh erstmals 1987 möglich, wirtschaftliche Kontakte mit de Festland aufzunehmen.

Wegen ihrer Nähe und der gemeinsamen Sprache und Kultur bot es sich für taiwanesisch Geschäftsleute an, vor allem lohnintensive Produktionen auf das Festland zu verlagern Wegen des nach wie vor bestehenden Verbotes direkter Beziehungen zum Festland – die Post wird über Hongkong befördert, man kann nicht direkt von Taiwan auf das Festlan reisen, und der Handel wird ebenfalls größtenteils über Hongkong abgewickelt – is es allerdings außerordentlich schwierig, genaue Zahlen über die Höhe der Investitione aus Taiwan zu ermitteln. Schätzungen gehen aber von rund 50 Milliarden Mark aus.

Ein großer Teil der taiwanesischen Exporte nach Rotchina sind Maschinen und Rohstoff für die Herstellung von Textilien, Plastikerzeugnissen (Spielzeug u. ä.) sowi elektrotechnischen Produkten. Das zeigt, daß vor allem die in Taiwan nicht meh konkurrenzfähigen Fabrikationen auf das Festland verlagert wurden.

Auch etliche in Lizenz hergestellte Güter lassen taiwanesische Firmen mittlerweile in der Volksrepublik fertigen. Sportschuhe bekannter Marken ebenso wie die Montage vo Elektrogeräten und -komponenten. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres erreichte de Handel zwischen Taiwan und dem Festland einen geschätzten Umfang von 18 Milliarden Mark davon waren 15 Milliarden Exporte aus Taiwan.

Die Regierung in Taipeh sieht in der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtun allerdings auch eine zunehmende Abhängigkeit von Peking und hat deshalb ihren Unternehme vorgeschlagen, vermehrt in den Ländern Südostasiens zu investieren. Daraus ist inde nicht viel geworden, wofür nicht zuletzt die Asienkrise verantwortlich war. Allerding ist auch Rotchina vom Know-how Taiwans abhängig, vor allem was das Management und die Produktion angeht. Durch die Produktionsverlagerung auf das Festland wird erhebliche technologisches Wissen transferiert.

Wirtschaftlich hat es das kleine Taiwan also geschafft, sich weltweit – und auc bei seinem ärgsten Widersacher – als Macht zu etablieren. Taiwan ist mit 36 00 Quadratkilometern etwa so groß wie Baden-Württemberg. Die 21,8 Millionen Einwohne wohnen vor allem auf dem flachen Westteil der Insel. Hier liegt im Norden die Hauptstad Taipeh und im Süden Kaohsiung mit dem drittgrößten Containerhafen der Welt.

1998 lag Taiwan mit einem Wirtschaftswachstum von "nur" 4,8 Prozent weltwei auf dem 18. Platz. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 22 000 Mark erreichte es den 25 Rang. Als Handelsnation belegte es den 14. Rang und ist unter den Produzenten vo Informationstechnologie die Nummer Vier.

Auch die Asienkrise konnte der robusten Wirtschaft Taiwans, die sich vor allem au kleine und mittlere Betriebe mit einem hohen Eigenkapitalanteil stützt, nur weni anhaben. Die Voraussagen der Experten für 1999 werden laufend nach oben korrigiert Mittlerweile gehen die Auguren von einem Wachstum von 5,4 Prozent aus. Die Arbeitslosenquote lag 1998 bei 2,69 Prozent. Für unsere deutschen Verhältnisse sind da alles traumhafte Werte. Aber trotzdem empfinden die Taiwanesen diese Quote als zu hoch.

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Taiwan sind traditionell auf alle Ebenen gut. 1998 erreichte das bilaterale Handelsvolumen 18 Milliarden Mark, mit eine Negativsaldo in Höhe von 1,3 Milliarden für die Bundesrepublik.

Von ganz besonderer Qualität ist allerdings die rasche und dabei lautlose Entwicklun Taiwans von einem autoritären Regime zu einer funktionierenden Demokratie in nur etwa mehr als zehn Jahren. Mit der ersten direkten Wahl eines Präsidenten in der Geschicht Chinas im März 1996 gilt nun auf allen politischen Ebenen das demokratische Prinzip. Die Verfassung garantiert nicht nur die Grundfreiheiten und Grundrechte, sondern die Bürge nehmen sie auch ungeniert in Anspruch. Aufgrund des Erreichten ist ihr Selbstbewußtsei gewachsen.

So bemüht sich Taiwan seit geraumer Zeit um die Mitgliedschaft in de Welthandelsorganisation WTO. Taipeh hatte am 1. Januar 1990 – um allen Komplikatione mit Peking aus dem Weg zu gehen – als "separates Zollgebiet Taiwan Penghu Kinmen und Matsu" den Antrag auf Mitgliedschaft in der WTO-Vorgängerorganisaton GAT gestellt. Obwohl es die Bedingungen erfüllt hat, wird eine Aufnahme nur möglich sein wenn auch die Volksrepublik aufgenommen worden ist, und zwar vor Taiwan, und seien es nu einige Minuten. Das, so meint Peking, sei es sich schuldig.

Im Juni 1999 bot Taiwans Präsident Lee Teng-hui 300 Millionen US-Dollar als Hilfe fü den Kosovo an. Allerdings will die Inselrepublik diese Hilfe im eigenen Namen leiste dürfen, gehört aber keiner der Uno-Hilfsorganisationen an. Regierungshilfe von seite Taiwans mußte die Uno also ablehnen.

Jeder Versuch Taipehs, international mehr Profil zu gewinnen, wird von Peking im Kei erstickt. Wenn es eine Regierung dennoch wagt, zum Thema Taiwan Stellung zu beziehen bemerkt Peking drohend – wie am 26. Juli am Ende der Asean-Konferenz in Singapur de chinesische Außenminister Tang Jiaxuan – "Taiwan ist ausschließlich ein interne Angelegenheit Chinas."

Ingrid Fuchs ist Geschäftsführerin der "Deutsch-Chinesischen Gesellschaf e.V." in 53177 Bonn, Villichgasse 17, Tel.: (0228) 36 12 66, Fax: (0228) 36 1 75 und 35 75 20, E-Mail: DCG-Bonn@T-online.de

Die DCG setzt sich seit ihrer Gründung 1957 für die Beziehungen zwischen Deutschlan und der Republik China (Taiwan) ein
 
     
     
 
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