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Richter machen keine Fehler, sie treffen Entscheidungen. Auch, wenn die Sache einen fatalen Ausgang nimmt. Jetzt aber braut sich über der Berliner Justiz ein Skandal zusammen: Ein 35jähriger Krankenpfleger mußte sterben, weil ein Richter Straftäter nur mit Samthandschuhen anfassen wollte. Berlin steht nur stellvertretend für die meisten Städte: Bürger und Polizei haben schon lange den Eindruck, von der Justiz im Stich gelassen zu werden.
Der 35jährige Krankenpfleger, Olaf D. aus Berlin, hätte dringend etwas mehr Schutz brauchen können: er würde heute noch leben. Er war in der Nacht zum 17. Februar auf dem Heimweg von der Arbeit, als sein Wagen in Berlin-Schöneberg auf einer Kreuzung gerammt wird. Der Unfallfahrer, der 25jährige Levent U. aus dem Kreuzberger Türken-Milieu, war - wieder einmal - auf der Flucht vor der Polizei, als er bei Rot in die Kreuzung raste. Der Krankenpfleger starb auf der Stelle, eine Passantin (45) wurde durch Trümmerteile schwer verletzt. Levent U. flüchtete unversehrt, stellte sich dann am nächsten Tag der Polizei.
Levent U. muß sich nicht erst ausweisen, wenn er auf die Wache kommt. Die Kreuzberger Polizisten kennen den Mann seit seinen Kindertagen aus mehr als 200 Ermittlungsverfahren: Raub, Einbruch, Körperverletzung, Drogenhandel und Fahren ohne Führerschein.
Eine Woche vor dem tödlichen Unfall hatten sie Levent U. wegen eines Einbruchs zum Haftrichter gebracht, der aber ließ ihn laufen. Nicht einmal die Tatsache, daß seine letzte Haftstrafe von elf Monaten wegen bandenmäßiger schwerer Körperverletzung noch bis 2009 zur Bewährung ausgesetzt ist, mochte den Amtsjuristen beeindrucken. Seither geißeln die Medien in Berlin die Justizverwaltung, zu Recht.
Aber die hartgesottene Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) läßt alles von ihren Behörden abperlen, als müsse nicht auch die Justiz gegen die dramatische Fehlentwicklung in der Stadt einstehen. Sie zeigte "ein gewisses Verständnis für die Nöte der Bürger": Die Entscheidung im Einzelfall sei sicher schwer nachzuvollziehen, meinte die Senatorin. Aber das war auch schon das Ende der Anteilnahme - die Richter seien "eben völlig unabhängig".
Auch die Richter halten zusammen: Eine "vertretbare Entscheidung", so formulierte es die Sprecherin der Berliner Strafgerichte.
In der Berliner Anwaltschaft, vor allem bei der Polizei fallen ganz andere Worte. Seit 2003 tragen die Beamten offen den Streit mit der Justiz aus, weil die Polizisten die inzwischen auf 500 angewachsenen Intensivtäter nicht von der Straße bekommen. Die Polizei weiß auch warum, aber: Der Verzicht auf die Untersuchungshaft habe nichts mit den überfüllten Gefängnissen zu tun, konterte sofort nach dem Fall U. die Justizverwaltung. Justizsenatorin von der Aue erklärte umgehend, es habe "nie eine Weisung oder auch nur ein Signal" der Justizverwaltung an die Richter gegeben, wegen der Überfüllung auf das Einsperren der Straftäter zu verzichten.
Hier liegt die Verantwortung aber allein bei der Justizsenatorin. Die Situation in Haftanstalten ist dramatisch. Die Zellen sind so überbelegt, daß von Menschenwürde nicht mehr die Rede sein kann - in den anderen Bundesländern ist die Lage kaum besser. Den fälligen Haft-Neubau, die Vollzugsanstalt Großbeeren, schiebt Berlin seit Jahren vor sich her. Jetzt soll das Gefängnis 2012 fertig werden.
Immerhin: Für Levent U. war jetzt eine Zelle frei - nach der Todesfahrt.
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