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Der Bundeskanzler fand deutliche Worte: Die Mordanschläge von New York und Washington seien „eine Kriegserklärung an die zivilisierte Welt“, befand Gerhard Schröder und beschwor „die Gemeinsamkeit der Demokraten“. Die ist in der Tat jetzt gefordert. Auf diesen terroristischen Massenmord kann es nur eine Antwort geben: entschlossenes Handeln einer wehrhaften Demokratie. Daran aber hat es in der Vergangenheit gemangelt, nicht zuletzt bei uns. Statt also den üblichen Bedenkenträger n - vom Bundespräsidenten bis zum „Terrorismus-Experten“ Ströbele - folgen und die Amerikaner kritisieren (für „Rache-Akte“, die sie noch gar nicht begangen haben) oder den Opfern gar eine moralische Mitschuld zuweisen, sollten wir im eigenen Lande unsere Hausaufgaben machen.
Es ist wohl kein Zufall, daß die Täter sich ausgerechnet Hamburg als Ruheraum und Stützpunkt für die Vorbereitung der teuflischen Tat ausgesucht haben; mindestens drei, möglicherweise bis zu 17 der Selbstmord-Attentäter und ihrer Hintermänner haben längere Zeit in der Elbmetropole gelebt und studiert. Und offenbar „eine gefestigte terroristische Struktur aufgebaut“, wovon niemand etwas bemerkte.
Bei der Ursachenforschung muß man Ex-Außenminister Kinkel folgen: „Wie sich jetzt zeigt, ist die Halbierung des Hamburger Verfassungsschutzes in den vergangenen zehn Jahren eine absolut unvertretbare Maßnahme gewesen.“ Freilich bei weitem nicht die einzige - zahlreiche andere „unvertretbare Maßnahmen“ hätte man schon viel früher abstellen müssen, und andere, jetzt in die Diskussion eingebrachte Maßnahmen sind längst überfällig.
Fragt sich nur, warum es erst einen solchen Terroranschlag mit Tausenden von Toten geben mußte, um Politik und Gesellschaft wachzurütteln. Die Opfer, darunter auch Hunderte von Deutschen, haben nichts mehr von der Erkenntnis, daß Demokratie nicht nur freiheitlich, tolerant und weltoffen, sondern auch wehrhaft gegenüber inneren und äußeren Feinden zu sein hat. Toleranz nämlich wurde bislang in Deutschland - und insbesondere im rot-grünen Hamburg - als „Einbahnstraße“ praktiziert; sich dies zunutze zu machen, wurde islamistischen Fundamentalisten, kurdischen Extremisten und zahlreichen anderen gewalttätigen und kriminellen Gruppierungen aus aller Welt viel zu leicht gemacht.
Innenminister Schily (SPD) hat die Zeichen der Zeit erkannt. In enger Kooperation mit seinem bayerischen Amtskollegen Beckstein und gegen den Widerstand der PDS sowie Teilen der Grünen hat er Maßnahmen auf den Weg gebracht, die im Bereich Innere Sicherheit endlich die fälligen Reformen bringen. Doch auch wenn er sich dabei auf eine breite „Gemeinsamkeit der Demokraten“ stützen kann - es gibt auch Gegenwind. Zum Beispiel von dem Komponisten Karlheinz Stock-hausen: Der entblödete sich nicht, in einer Pressekonferenz die Mordtaten so zu kommentieren: „Was da geschehen ist, ist das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat.“ Solche Geschmacklosigkeit muß man wohl vor dem Hintergrund Stockhausen’scher Klangschöpfungen sehen - die bewegen sich an der Grenze zwischen Musik und vorsätzlicher Körperverletzung. Nina Schulte
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