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Die richtigen Worte

 
     
 
Was muß, was darf ein deutscher Papst in Auschwitz sagen? Die Frage, so von der ultralinken "taz" formuliert, wird uns noch lange beschäftigen, vielleicht ähnlich lange und heftig wie der Historikerstreit vor nunmehr 20 Jahren. Linke Gazetten von Madrid über Paris bis Berlin hatten allzu schnell ihre Antwort parat: So wie Benedikt
XVI. "sollte man nicht über Auschwitz reden. Kein Papst, erst recht kein deutscher."

Damit liegen die voreilig ihren ideologischen Vorurteilen folgenden Papstkritiker voll daneben. Was sie mißbilligen zu müssen glauben, ist nämlich nicht das, was dieser Papst "über Auschwitz", sondern was er in Auschwitz über sein eigenes, das deutsche Volk gesagt hat: Er sei gekommen "als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so daß unser Volk zum Instrument ihrer Wut, des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und mißbraucht werden konnte."

Kein Schuldbekenntnis, folglich auch keine Ent-Schuldigung, kein Kniefall, kein "Wir sind das Tätervolk". Aber auch kein Relativieren, kein Verharmlosen, kein Gegenrechnen, kein Leugnen, kein Sich-davon-Stehlen aus der eigenen Geschichte. Benedikt XVI., vormals Joseph Kardinal Ratzinger, hat die Balance und das rechte Maß gefunden, mit allen seinen Worten, nicht nur diesem einen Satz, und mit allen seinen Gesten und seinem Auftreten.

Das war nicht unbedingt so zu erwarten gewesen, zumindest meinten dies mehrheitlich die Landsleute des Papstes. Nach einer Umfrage der "Gazeta Wyborcza" hatten über 65 Prozent der Deutschen damit gerechnet, Benedikt XVI. werde, wie von Repräsentaten des deutschen Volkes seit Jahrzehnten so gewohnt, pauschal um Vergebung für (ebenfalls pauschale) deutsche Schuld bitten. Von den in Polen Befragten hingegen äußerten nur 25 Prozent eine solche Erwartung, ein bemerkenswertes Ergebnis.

Dazu paßt, daß die polnischen Medien die päpstliche Visite in ihrem Lande und insbesondere den Tag in Auschwitz ausgesprochen positiv kommentierten.

Der Papst selber hat diese überaus positive Resonanz geschickt vorbereitet, indem er demonstrativ auf den Spuren seines Vorgängers wandelte. Und offenbar ist es in Polen noch weitaus bewußter als bei uns in Deutschland, daß viele Jahre lang der engste persönliche Vertraute des polnischen Papstes Johannes Paul II. der deutsche Kardinal Ratzinger war. Dies alles hat neben seiner phänomenalen persönlichen Ausstrahlung bewirkt, daß Benedikt XVI. sich in Polen auf eine schier unglaubliche Autorität stützen kann. Nach allem, was das deutsch-polnische Verhältnis in den vergangenen Jahrzehnten belastet hat und zum Teil heute noch belastet, ist es ja keineswegs selbstverständlich, wenn Hunderttausende polnischer Menschen einen Deutschen als "unseren Papst" bejubeln. Auf diesem Fundament konnte Benedikt XVI. in Auschwitz Worte wagen, die andere vor ihm lieber verschwiegen, unter dem Druck der Dimension des Grauens, aber auch unter dem Druck einer veröffentlichten Meinung, die sich zu ganz anderen Zwecken dieses Grauens bedient. Und auch wenn es manchem ewiggestrigen Vergangenheitsbewältiger noch so gegen den Strich geht - was der deutsche Papst in Auschwitz sagte, war genau das, was endlich einmal gesagt werden mußte.

Wie ein Wink des Himmels: Wenn es Zufall war, dann wohl im Sinne Albert Schweitzers, der einst meinte: "Der Zufall ist das Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er inkognito bleiben will." In diesem Sinne "zufällig" tat sich der wolkenverhangene Himmel über Auschwitz auf, just in dem Moment, da Papst Benedikt XVI. sein Versöhnungsgebet sprach. Ein prächtiger Regenbogen, das lebenspendende Licht der Sonne, gebrochen in den Farben des Friedens, erschien und blieb lange stehen, wie um den Worten des Heiligen Vaters noch mehr Glanz zu verleihen - Worte, die der schicksalsschweren Vergangenheit gerecht wurden, aber auch über den Tag hinaus in die Zukunft wiesen. Dieser Besuch in Auschwitz war der emotionale Höhepunkt einer Pilgerreise, die den deutschen Papst auf den Spuren seines Vorgängers durch dessen Heimat führte - und auf der über drei Millionen Menschen begeistert seinen Weg säumten.
 
     
     
 
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