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Im österreichischen Burgenland, in romantischer Umgebung von Weinbergen und alten Gütern, wird der edle Most zum noch edleren Wein verarbeitet. „Winzerkönig“ heißt die Unterhaltungsserie der ARD rund um ein Weingut. Wie in der guten alten Zeit wird dort Wein hergestellt. „Diese urtümliche, archaische Welt des Weins und der ganz feinen Dinge“, wie der Begleittext schwärmt, haben viele Deutsche vor Augen, wenn sie den Rebensaft kaufen. In der Realität des EU-Agrarmarktes ist Wein hingegen ein industrielles Massenprodukt. Der Übergang zum lebensmittelchemischen Mischerzeugnis scheint nicht mehr aufzuhalten. Wein soll im international en Wettbewerb bestehen, so will es Brüssel. Eine neue Weinmarktordnung gibt Einblicke in die Rebenkultur der Zukunft.
Natürlich ist Wein nicht gleich Wein. Neben Tafel- und Landwein gibt es weinhaltige Getränke und natürlich den mit geschützter Herkunftsbezeichnung versehenen Qualitätswein. Doch schon heute ist die Zusammensetzung keine Frage des Preises oder Verschnitts. Kalifornische Weine werden von den geschäftstüchtigen US-Weingütern nicht nur gern in praktischer Karaffe auf Europas Märkte gebracht. Allerlei Zusätze und ungewöhnliche Herstellungsverfahren, die dem reinheitsgebotverwöhnten Deutschen ein Schauern über die Zunge laufen lassen, sind dort erlaubt. Doch auch im hiesigen Wein ist nicht nur Sonne und Alkohol. So dürfen laut Weinverordnung (Stand 2002) als Konservierungsstoffe „nur Sorbinsäure, Kaliumsorbat und Calciumsorbat“ verwendet werden (Paragraph 11). Außerdem eine ganze Reihe von „Trägerstoffen“ und „Trägerzusatzstoffen“, darunter auch für „Lebensmittel allgemein zugelassene Stoffe“. Näheres regelt die „Zusatzstoff-Verkehrsverordnung“. Erlaubt sind für aromatisierte Weine und Weingetränke unter anderem Farbstoffe, Stickstoff, Phosphorsäure oder auch Helium. Edelgas im Wein? - Lächerlich!
Meist tarnen sich die eher unschön klingenden Beimengungen unter ihrem Farbstoff-Kürzel. Da gibt es beispielsweise E 451 (Triphosphate) und E 938 (Argon). Auch Gelatine darf in den Wein. Die Liste der denkbaren Zusatzstoffe wird nicht kürzer, sondern von Änderung zu Änderung der Weinverordnung länger. Die jüngste Ergänzung kam im April dieses Jahres. „Der Verbraucher darf durch den Zusatz der genannten Stoffe nicht irregeführt werden“, heißt es da immerhin - ein tröstlicher Satz. Schädlich ist keiner der Zusätze, zumindest solange die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden.
Tatsächlich ist der Verbraucher heute weniger denn je vom industriellen Wein-Design entfernt. Was auf der Zunge perlt oder im Gaumen eine liebliche Note entfaltet, muß in vielen angesehenen Anbaugebieten der Welt schon längst nicht mehr das Ergebnis von Rebe und Lese, sprich Natur sein. Geschmack ist eine Frage der Bearbeitung, derweil nimmt die Weinmenge europaweit jährlich zu. Eine Reform des Weinmarktes halten die EU-Staaten für unumgänglich, um einen drohenden Weinsee zu verhindern. Die EU-Kommission will Weinüberschüsse abbauen und den europäischen Wein angesichts zunehmender Konkurrenz aus Übersee wettbewerbsfähiger machen. Eine halbe Milliarde Euro kostet pro Jahr die europaweite Entsorgung der Überschüsse. Drastische Maßnahmen sind geplant: 400000 Hektar Weinberge sollen innerhalb von fünf Jahren gerodet werden, dafür soll es eine Prämie geben. Außerdem will die EU Herstellungsverfahren anderer Länder auch auf dem Binnenmarkt erlauben und die Etikettierung vereinfachen.
Ebenfalls im Gespräch sind mit der Neuordnung weitere Zusätze zur Geschmacksbeglückung und Verwirrung der Konsumenten. Eichenholzchips beispielsweise ersparen den Weingütern die aufwendige Lagerung des Bacchussaftes in Eichenfässern, zaubern aber ein ähnliches Aroma. Kritiker befürchten, daß Stahlsilos bald den traditionellen Weinkeller ersetzen werden. Ein Trost immerhin bleibt den Freunden der Kulturlandschaft, die in Jahrhunderten aus dem Weinbau entstand: In Deutschland soll es keine Rodungen von Weinpflanzungen geben. Die Überschüsse sind hierzulande vergleichsweise gering. Vielleicht wird Deutschland ja gerade dank kritischer Verbraucher und traditioneller Einstellung zum Rebensaft seinen Qualitätsvorteil ausbauen, auch wenn so mancher romantische Weinberg an Rhein und Mosel schon heute nicht mehr besteht. |
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